An einem kalten Wintertag in Berlin

Heute war ein guter Tag: Die Steuerklärung 2012 ist abgegeben, sämtlicher Papierkram ist erledigt. Der Schreibtisch ist leer – ein tolles gutes Gefühl. Beschwingt verlasse ich die Wohnung, um meine Freundin Katharina zu treffen. Im Fahrstuhl klingelt mein Handy, Christian ruft an: „Hast du Lust mit der ganzen Familie nach Vietnam zu gehen“, fragt mein Mann. Ich verstehe nicht recht, was er meint, sage aber ja. Die Tür geht auf, vor dem Lift steht Christian. „Wir brauchen jemanden, der für drei Monate nach Saigon geht, der sich um Lazada kümmert“, spricht er halb ins Handy, halb zu mir. „Warum machen wir das nicht?“ „Super Idee“, sage ich und eile aus der Tür. Wenn ich eines in zwölf Jahren mit Christian gelernt habe, dann die Feste zu feiern, wie sie fallen. Nur nicht zaudern, sonst ist die Chance vertan. Wenig später werde ich Katharina bei „Suppen-Olli“ von meinen Brasilien-Reiseplänen für die Osterferien erzählen. „Aber vielleicht gehen wir auch für drei Monate nach Saigon“, sage ich leichthin.

Auf nach Saigon

Drei Wochen später, am 1. März, geht es los. Ich ziehe meine „Packliste Strandferien Tropen“ aus der Schublade, arbeite diese mechanisch ab: Pro Kind sieben T-Shirts und vier Shorts – „nur keine Pullis!!!“ steht dort rot hervorgehoben. Unvorstellbar nach dem langen Winter…….
Wir packen noch 20 deutsche Bücher in den Koffer und – auf besonderen Rat meiner Schwiegermutter – einige Kleider, die ich in Vietnam nachschneidern lassen will. Tatsächlich kommen wir auf nur drei Reisetaschen für unsere fünfköpfige Familie. Unsere Nachbarin Rike macht ein letztes Nudelessen für die Kinder, große Verabschiedung, und dann geht es los!

Prompt bleiben wir im Freitagnachmittagsverkehr stecken, mir ist schlecht vor Aufregung, es ist einfach schon zu oft vorgekommen, dass irgendjemand in dieser Familie seinen Pass vergessen hat, dieser abgelaufen ist, wir einen falschen Flug gebucht haben oder – ganz gemein – die Flugzeiten geändert wurden, ohne dass wir es mitbekommen haben. Aber irgendwie schaffen wir es diesmal. Am Abflugsschalter wartet Großvater Albrecht mit einer riesengroßen Einkaufstüte voller Schokoladeneier und -osterhasen für das bevorstehende Osterfest, auch Keramikhühner sind dabei. Das passt zwar nicht in mein „Travel-Light-Concept“, freut uns aber sehr. Und so reisen noch sechs Schokohasen und vier Keramikhühner mit uns nach Vietnam.

Unser zweieinhalbjähriger Nikolaus ist mächtig stolz, dass er mit seinen großen Brüdern (vier und sechs) in einer Liga spielt. Mit ihren Kapuzenpullis und kleinen Rucksäcken sehen sie aus wie drei kampfbereite Ninja Turtles. Die Jungs laufen die Gänge entlang, verschwinden durch Drehtüren, toben die Rolltreppen rauf und runter, dass mir ganz schwindelig wird. Fliegen ist einfach noch ein großes Abenteuer! Der Boardcomputer wird inspiziert, die Kopfhörer aufgesetzt, der Essen verschlungen. „Das ist der schönste Flug meines Lebens“, sagt Caspar glücklich.

Visa bei der Ankunft in Saigon

Übernächtigt kommen wir Samstagmittag in Saigon an. Eine schwüle Hitze schlägt uns entgegen. Wir sind viel zu warm angezogen – trotz Tropenpackliste. Mir fällt meine Ankunft in Saigon vor 13 Jahren ein: hunderte Vietnamesen radelten mir damals entgegen. Heute schieben sich Mopeds und Taxis um den Kreisverkehr, kein einziges Rad weit und breit.

Völlig verstrahlt verbringen wir unser erstes Wochenende in Saigon, überwiegend am Hotelpool, wo nebenan ein Hahn kräht und ein modriger Abwassergeruch herüber weht.

Das Somerset auf der Nguyen Binh Khiem Street – unser neues Zuhause. Wir wohnen in einem Dreizimmer-Appartment im dritten Stock auf der linken Seite. 

Spät am ersten Abend fahre ich mit dem Taxi zum nächsten Supermarkt, um einen Schnuller für Nikolaus zu kaufen. Doch offenbar benutzen vietnamesische Kinder keine Schnuller! Nach langem Suchen finde ich schließlich einen Nuckel, der allerdings nur für Kinder bis sechs Monate ist, außerdem sieht er aus wie ein Beißring. Ich befürchte das Schlimmste, doch auch Nikolaus ist ebenfalls völlig übernächtigt und daher willenlos. Caspar und August sind hingegen bis spät in die Nach putzmunter. „Warum seid ihr eigentlich müde“, fragt Caspar verständnislos.

Die ersten Tage

Die ersten Tage sind mühsam: Christian arbeitet bis tief in die Nacht, ich habe unsere drei Kinder 24/7 – Albtraum! Morgens machen wir einen Ausflug, etwa in den Supermarkt, denn wirkliche kinderfreundliche Ausflugsziele gibt es in Saigon nicht. Wieder drei Stunden herumbekommen, bis Nikolaus Mittagsschlaf hält und „Nanny“ kommt, unsere Hilfe. Die Großen dürfen Fernsehen oder I-Pad spielen, damit ich wenigstens einmal meine Ruhe habe. Allein wohin gehen? Das nächstgelegene Café ist ein schlechter Starbucks Abklatsch, etwas Schönes habe ich noch nicht gefunden. Nach der Mittagspause geht es an den Pool, was meistens so aussieht: Nikolaus traut sich nicht ins Becken, Caspar ist das Wasser zu kalt und August will nicht allein im Pool sein.

Noch ist die Laune gut am Pool.

Um fünf Uhr, wenn die Sonne unterzugehen beginnt, wechseln wir auf den Hotelspielplatz, wo ich Nikolaus stundenlang schaukele und jede Minute zähle, bis Christian kommt. Meine Laune wird täglich schlechter. Am Donnerstag zähle ich die Wochen bis zu unserem Abflug – da sind es noch zwölf. Ich atme tief durch.

Interkulturelle Kompetenz

Caspar und August hatten im Vorfeld unseres Vietnam-Aufenthalts ein interkulturelles Training (anders als die Eltern). Unsere bevorstehende Reise hatte unsere Erzieherin zum Anlass genommen, den Kindern das südostasiatische Land vorzustellen: Dazu brachte ich Klebreis mit Mango mit, den die Kinder mit Stäbchen aßen bzw. es versuchten. Susanne trug ihr aus Büchern zusammengetragenes Wissen vor. „Und die Menschen tragen überall diese spitzen Hüte, um sich vor herunterfallenden Schlangen zu schützen“, sagte sie. „Auch in den Städten?“, will ein neugieriges Kind wissen. „Sicher. Und die Vietnamesen fahren immer mit dem Fahrrad und weil sie keine Kühlschränke haben, müssen sie jeden Tag zum Markt, und deshalb sind ihre Räder immer so voll beladen“, fuhr sie fort. Ich ahnte schon, in Saigon würde das böse Erwachen folgen….

Gut vorbereitet: Die Kinder lernen im Kindergarten Vietnam kennen.

So kam es auch. Nach etwa zehn Tagen platzt Caspar empört hervor: „Das stimmt alles gar nicht, was Susanne erzählt hat, das war totaler Quatsch! Hier gibt es doch Kühlschränke, und diese Hüte trägt keiner und auf den Fahrrädern wird auch gar nichts transportiert und außerdem fahren hier sowieso alle Moped!“

Von wegen Fahrrad…

Stadterkundung I – Kriegsrestemuseum

Wir füllen unsere Tage mit Ausflügen. Heute geht es ins Kriegsrestemuseum. Einige Male sind wir bereits daran vorbeigefahren, die Helikopter und Flugzeuge sorgen stets für Begeisterung. Mir ist es etwas fremd, wie sich kleine Jungs so sehr für Kriegsgeräte interessieren können. Als kleines Mädchen hatte ich immer große Angst vor einem Krieg, aber ich bin ja auch ein Mädchen, wie meine Jungs immer wieder mitleidig feststellen.

Caspar und August laufen aufgeregt über den Hof des Kriegsrestemuseum, selbst Nikolaus gerät beim Anblick der Flugzeuge in Ekstase. „Und wie viele Bomben konnte der abwerfen?“, fragt Caspar. „Und wie weit konnten die schießen? Und wie viele Raketen hatten die an Bord?“ Jede Tafel muss ich übersetzen, Caspar und August urteilen fachmännisch: „Ah, der konnte also doppelt so weit schießen wie dieser hier. Und der?“ Während wir über das Museumsgelände laufen werden die Rollen verteilt: „Also August, ich steuere alle Flugzeuge und Helikopter und ich kann auch alle Raketen abschießen“, sagt Caspar. „Und August?“, will ich wissen. „Na, der auch. Wir sind ja in einer Mannschaft.“

Der unverfängliche Teil des Museums…

Es ist nicht damit getan, Flugzeuge und Helikopter zu besichtigen. Die Kinder wollen ALLES wissen. Wir kommen an einem Gefängnisnachbau vorbei, die Kinder stürmen in die Zelle. Dort steht – womit ich nicht gerechnet hatte – eine Guillotine. Schnell will ich weg, doch Caspar und August lassen nicht locker: „Wo ist das Messer? Warum haben die sich darauf gelegt? Sind dort die Köpfe reingerollt? Warum hat das Messer den Kopf getroffen?“ Nun will ich aber wirklich gehen. Ich verspreche ein Eis, um sie wegzulocken.

Am nächsten Morgen wache ich auf. Unser Apartment ist komplett umgebaut, sämtliche Bettdecken und Sofakissen wurden zweckentfremdet, Caspar und August haben sich ein Gefängnis gebaut. Nikolaus` Buggy ist ein Amphibienfahrzeug. „Ich fand das Kriegsmuseum echt toll“, schwärmt Caspar. „Es ist nur das eingetreten, was ich befürchtet habe“, sagt er und zieht dabei die Schultern nach oben. „Ich hatte einen Albtraum.“ „Oh je“, sage ich, „was hast du denn geträumt?“ „Es wird dich traurig machen“, sagt Caspar bedeutend. „Papi wurde geköpft.“

Stadterkundung II – Einkaufsbummel

Heute machen wir einen unverfänglicheren Ausflug. Wir gehen auf den Ben Thanh Market, August braucht einen neuen Sonnenhut, Caspar einen Fußball.

Unser heutiges Ausflugsziel: Der Ben Thanh Markt

Wir schieben uns durch das Gedränge, links und rechts türmen sich Seidenhemden, Rolexuhren, lackierte Bambusschalen auf, weiter hinten liegen Schweinepansen und Innereien in den Fensterablagen, Fische und Krebse ringen in überfüllten Becken nach Luft. Die Gänge sind kaum breiter als einen Meter und mit uns drängen sich Verkäufer und Touristen über den Markt. „Als du Markt gesagt hast, habe ich an den Flohmarkt auf dem Arkonaplatz gedacht“, sagt Caspar vorwurfsvoll. „Na ja, andere Länder, andere Sitten“, gibt er weltmännisch von sich. Ich schiebe Nikolaus im Buggy vor mir her, Caspar quetscht sich zwischen den Kinderwagen und mich, August klammert sich an meiner Hosentasche fest, es ist heiß und drückend. Den vor uns schlendernden Touristen rammen wir mit dem Rädern in die Hacken, die Jungs quatschen mir ununterbrochen das Ohr ab, wobei August so lange unverständlich nuschelt bis er vorwurfsvoll und laut schreit: „Mami, jetzt hast du mir schon wieder nicht zugehört!!!“

Um mich herum sehe ich einige junge Travellerinnen, die sich in aller Ruhe Ohrringe und Kettchen ansehen, lange den Kopf hin und her wiegen und sich nicht entscheiden können. Ich starre sie verständnislos an. Was habe ich eigentlich mit meiner Zeit gemacht als ich noch keine Kinder hatte?!? Bevor ich darüber zu lange nachdenken kann, hat August einen Hutstand entdeckt. Die geschäftstüchtige Vietnamesin will ihm ein blaues Adidas-Cappy andrehen, August entscheidet sich aber für einen Militärhut mit rotem Kommunistenstern. Nur einen Fußball finden wir nicht.

Wir ziehen also weiter in die nächste Mall. Der Taxifahrer weiß nicht so recht, wo es lang geht, ich versuche es, ihm mit Händen und Füßen zu deuten. Nikolaus und August fangen an zu rangeln, „Stopp“, rufe ich, woraufhin der Taxifahrer eine Vollbremsung mitten auf der Straße macht. Irgendwie kommen wir dann doch an, alle drei Kinder zerren in verschiedenen Richtungen an mir. Wir wollen in den Fahrstuhl, Nikolaus beharrt darauf, seinen Buggy selbst zu schieben, August will unbedingt den Knopf drücken, nur Caspar ruft besorgt: „Einer muss die Tür aufhalten!“ Zu spät, die Tür geht zu, Nikolaus steht davor, der Fahrstuhl rauscht nach oben. Im 5. Stock angekommen fahren wir schnell wieder in den Keller. Noch bevor die Tür aufgeht hören wir Nickis Geheul. Erleichterung macht sich auf seinem Gesicht breit als die Tür wieder aufgeht. Schnell stolpert er rein. „Fahrstuhl weg, Ninaus weint“, erklärt er uns vorwurfsvoll. Wir kaufen einen Fußball, fahren zurück ins Hotel, wo Nanny mit den Kindern Fußball spielen kann. Ich verziehe mich ins Cafe und genieße die Stille.

Loving wife

Auf dem Weg ins Mekong Delta

Die vergangenen zwei Wochen waren nicht nur eitel Sonnenschein. Christian hat so viel gearbeitet wie noch nie (und ich bin schon einiges gewohnt), meine Befürchtung, mich 24/7 um die Kinder zu kümmern, ist voll eingetroffen. Auf unserem Wochenendtrip ins Mekong Delta ist die Stimmung so ziemlich auf dem Tiefpunkt: Christian ist erschöpft, ich bin ebenso angestrengt wie genervt von meinen Kindern, die ständig irgendetwas von mir wollen. Wie Caspar treffend feststellt: „Mami hat eh immer schlechte Laune!“

Unsere Hütte mit Pool

 

Die Stimmung ist gut – bei den Jungs

In der Mittagshitze sitzen wir im Restaurant, das Tisch ist für uns gedeckt, wir sind die einzigen Gäste bzw. wir wurden von den anderen Gästen – aus welchen Gründen auch immer – getrennt in ein anderes Restaurant gesetzt. Das übliche Chaos nimmt seinen Lauf: Nikolaus will Fried Rice mit Stäbchen essen, August beschwert sich, dass Caspar mehr hat, Caspar jammert, dass er immer nur Wasser trinken darf während die Eltern 7up und Cola light bekommen usw. Ich eile um den Tisch und versuche, die Lage unter Kontrolle zu bekommen während Christian tiefenentspannt daneben sitzt als wären es nicht seine Kinder. Unser Tourguide kommt an den Tisch: „You know, it is the first time that I see a western wife doing everything for her children and her husband. Usually the wife sits there and the husband does everything.“ Ich fühle mich in meinem Elend bestätigt, habe Schaum vor dem Mund und schicke Christian mit meinen Augen kleine Blitze. „Siehst Du!“, fauche ich. Christian fühlt sich nicht weiter angesprochen. „That´s what a loving wife should do“, sagt unser Guide anerkennend. An diesem Punkt hört Christian wieder zu und ist mit dem Tour-Guide einer Meinung.

Stadterkundung III – Schildkrötenteich

Unser heutiger Ausflug geht zum Schildkrötenteich. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, möge keines der Kinder in den Teich segeln UND mögen wir anschließend die Straße sicher überqueren. Der Schildkrötenteich befindet sich in der Mitte eines verkehrsreichen Kreisels. Über den Teich, dessen Wasser so trüb ist, dass dort sicher kein einziger Fische mehr lebt, ganz zu schweigen eine Schildkröte, führen Stege – natürlich alle ohne Geländer. C+A+N toben über die kleinen Brücken, dass mir ganz schwindelig wird. Caspar deutet an, er wolle sich von einem der Stege herunterbaumeln lassen. Die Wasserlandung ist programmiert. Mir stockt der Atem. „Ach Mami, war doch nur ein Scherz!“, grinst er mich an. Genug Scherze für jetzt.

August und Caspar vor dem Schildkrötenteich – Caspars Lieblingsort in Saigon

Es geht weiter zum Bitexco Financial Tower. Der Turm des staatlichen Mischkonzerns ist das höchste Gebäude in Saigon, 2010 wurde er eröffnet. Vom 50. Stock aus überblicken wir die Stadt. Um uns herum wachsen neue Hochhäuser in den Himmel. Und doch ist die Innenstadt noch vergleichsweise luftig, die meisten Gebäude sind drei, vier stöckig, die Straßen weit, das Verkehrschaos hält sich in Grenzen (nach asiatischen Standard). Südlich des Flussufers gibt es noch weite, unbebaute Flächen, Palmen und grüne Wiese. Ich mache einige Fotos, in fünf Jahren wird keine einzige Palme mehr dort stehen. So wie heute auch kaum noch ein Fahrrad auf der Straße zu sehen ist, anders als 2001.

Blick vom Bitexco Tower
Nikolaus fällt bei diesem Anblick um

Nachtrag: Am Ende unserer Reise waren wir noch einmal auf dem Bitexco Tower. Die Baustellen sind immer noch zu sehen, in den vergangenen vier Monaten hat sich absolut nichts getan. So viel zum vietnamesischen Wirtschaftswunder.

Dong-Endlosschleife

Vietnam hat strenge Devisenkontrollen. Damit kenne ich mich bestens auch, zumindest theoretisch: Unternehmen können ihre Gewinne nicht ins Mutterland zurückschaffen usw. Ist halt so, dachte ich immer. Wie mühsam und ärgerlich das ist, haben wir nun am eigenen Leib erfahren: Christian hat für unsere Flüge zunächst 4500 Euro ausgelegt. Bezahlt werden diese nicht von Rocket, sondern von Lazada. Nun sitzt Lazada in Vietnam und kann nicht einfach 4500 Euro nach Berlin überweisen. Zunächst sollte Christian ein vietnamesisches Konto bekommen. Auch nicht schlecht, wer weiß wozu so ein vietnamesisches Konto noch gut sein kann in Zeiten der Euro-Krise. Das ging dann aber doch nicht. Eines Abends kam Christian mit einem Schuhkarton voll Geld unter dem Arm nach Hause. 130 Millionen Dong sind da drin. Caspar ist begeistert, dass wir 130 Millionen Dong haben und findet, wir sind steinreich. Ich frage mich, wie wir das Geld wieder los werden sollen?!? Die einzige größere Ausgabe, die wir haben ist das Hotel und das zahlt auch Lazada. Wir können die Rechnung zwar bar begleichen, bekommen aber auch wieder Cash erstattet. Wir befinden uns also in einer Dong-Endlose-Schleife, nicht so einfach, da wieder heraus zu kommen.

10 000 Dong – von diesen Scheinen haben wir jetzt 13 000

 

Im Café

Wir verbringen viel Zeit im Café. Ich, in der Hoffnung, doch noch einen genießbaren Café Latte zu finden, und in Ruhe die Zeitung zu lesen, die Kinder in der Hoffnung auf noch mehr Eis. Meine Hoffnung auf ein paar Minuten Stille werden regelmäßig zerstört. Meist läuft der Besuch so ab: Ich suche extra ein Café mit Spielplatz auf, doch dieser interessiert die Kinder mitnichten. Stattdessen quetschen wir uns zu viert auf einen Stuhl. Ich bestelle Schoko-Croissants für alle. August: „Mag kein Schoko-Croissant.“ Nikolaus heult, weil er sich sein Pain au chocolat teilen soll. August bekommt einen Joghurt mit Honig, Nikolaus bekommt bei dem Anblick des Joghurts einen Tobsuchtsanfall: „Ich auch, ich auch!!!“, schreit er. Ich bleibe hart, aber August gibt nach der Hälfte auf und gibt Nikolaus seinen Joghurt. Dieser massiert den Joghurt auf Tisch, T-Shirt und Hose ein. Caspar ist langweilig. Nun wollen wir Postkarten schreiben. Zuerst maulen alle drei, sie hätten keine Lust, dann geht es los: Es gibt fünf unterschiedliche Postkarten, aber jeder will die Karte mit den Mopeds an seinen besten Freund schreiben (dabei haben sich die Kinder die Karten selbst ausgesucht!!!). Caspar will, dass ich ihm alles vorschreibe und ihm beim Schreiben helfe, August will dass ich seine Karte schreibe, Nikolaus ist fest entschlossen, seine Karte selbst zu schreiben – und malt dabei den ganzen Tisch voll. Ich erkläre den Kindern, dass ich keine Krake sei und nur zwei Arme hätte und auch nur eine Sache gleichzeitig machen kann. Das akzeptieren sie. Nach ca. zehn Minuten sind wir fertig. Nun haben die Kinder – zur Freude der anderen Besucher und Mitarbeiter – entdeckt, dass man im Café Rundlauf spielen kann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Kellner zu Fall gebracht ist…..

Das Chaos nimmt seinen Lauf…