Seit ein paar Tagen haben wir eine Haushaltshilfe, eine Mitfünfzigerin namens Frau Tram (heißen hier übrigens fast alle). Die Kinder sind begeistert. Caspar schreibt an seine Kindergartenfreunde: „Wir haben hier auch so eine Art Jenny. Nur, dass sie nicht auf Kinder aufpasst. Sie schneidet den ganzen Tag (zur Erklärung: Mangos usw.). Und ratet einmal wie sie heißt? Sie heißt Frau Tram – wie die Tram!“. Der Name bereitet Caspar große Freude: Jeden Tag, wenn wir aus der Kita nach Hause kommen und Caspar Frau Trams Schuhe vor unserer Wohnungstür erblickt, fängt er an zu kichern. „Stell dir vor, wenn ich wieder in Berlin in der Kita bin und Karl-Titus dann erzähle, dass wir eine Tram haben“, kichert er. „Die werden staunen. Und dann sage ich: Und unsere Tram bügelt“, und dabei kringelt er sich vor Lachen. Und jeden Tag wiederholt er mit der gleichen Begeisterung seinen Witz. Auch Nikolaus ist ein großer Fan: „Ist DAS Tram da?“, fragt er jeden Mittag.
Unsere Wohnung blitzt und blinkt – wie hier an Augusts Geburtstag |
Frau Tram zeichnet sich zunächst durch ihren mürrischen Gesichtsausdruck und ihre ausgesprochene Langsamkeit aus. Barfuss schleicht sie durch unsere Wohnung, macht die Betten, schneidet Mangos und Drachenfrüchte in Häppchen und bügelt die Wäsche – alles in Zeitlupentempo und ganz ohne System. Das Tempo macht mich wahnsinnig. „Sie hat ja auch nichts anderes zu tun“, wirft meine Freundin Sabine ein. Da hat sie sicherlich Recht. Vielleicht sind wir in Deutschland auch etwas krankhaft, wenn es darum geht, immer alles möglichst schnell zu erledigen…
Auch als Babysitterin ist Frau Tram ziemlich unbrauchbar. Als Christian und ich eines Abends weggehen ruft nach einer Viertelstunde Frau Tram an: „Caspar wants to talk to you“, sagt sie. „Könnt Ihr bitte nach Hause kommen? August und Nikolaus rennen die ganze Zeit um den Tisch und ich möchte schlafen.“ Als ich nach Hause komme, spielen Nikolaus und August Rundlauf und machen dabei einen Höllenlärm. Unterdessen backt Frau Tram in aller Seelenruhe einen Pfannkuchen nach dem nächste als ob die Situation sie nichts anginge. Von nun an setzen wir die Kinder vor den Fernseher, wenn Christian und ich einmal zu zweit weggehen wollen.
Frau Tram hat aber für uns andere überlebenswichtige Qualitäten: Sie ist eine echte Pfadfinderin. Nun ist es in Vietnam nämlich nicht so, dass man einfach in den Supermarkt geht, um Kräuter zu kaufen oder in den Fahrradladen, um einen platten Reifen reparieren zu lassen – letzteren Laden gibt es in Vietnam gar nicht. Ohne vietnamesisch Kenntnisse bin ich da natürlich aufgeschmissen. Und da ist Frau Tram eine große Hilfe: Wie von Zauberhand kommen die kaputten Fahrräder wieder repariert in den Keller zurück. Oder sie lädt meine Handytelefonkarte auf. Oder sie weiß, wo man Anissterne zum Kochen kaufen kann.
Wo bitte gibt es eine Telefonkarte? |