Eines meiner Vietnam-Projekte sollte sein, meine asiatischen Kochkünste zu erweitern. So hatte ich es mir vor unserer Abreise vorgenommen. Vor meinem inneren Auge hatte ich saftige Früchte, exotisches Gemüse sowie frische Fische und Meeresfrüchte gesehen, mit denen ich täglich köstliche Gerichte zubereiten würde. Die Realität war dann recht ernüchternd: Die Gemüseabteilung im An Phu Supermarket ist kaum größer als das Eierregal bei Kaisers, der Fisch ist tiefgefroren und die Obstauswahl beschränkt sich auf einige wenige Bananen – jeder noch so kleine Asia Laden in Berlin-Mitte ist besser sortiert.
Die Obst- und Gemüseabteilung in unserem Supermarkt |
Es ist also nicht so, dass ich abends mein Kochbuch wälze, mir überlege, was wir gerne essen möchten und dann die entsprechenden Zutaten kaufe. Mitnichten. Stattdessen gehen ich auf Jagd: Im Snap-Café finde ich ganz annehmbares Fleisch, im Organic Shop ein paar Kräuter. Broccoli? Gibt es mal wieder nicht. Im An Phu Supermarket finde ich mir Glück noch etwas Gemüse, das allerdings schon gut abgelagert ist. Frisches Obst gibt es reichlich, dazu muss ich aber einen guten Kilometer laufen, um zu einen der kleinen Straßenläden zu gelangen. Frischer Fisch bleibt problematisch, entweder zum Binh Than Markt, was immerhin 20 Minuten Fahrt pro Richtung bedeutet, oder in die Metro, aber wer will schon für ein paar Shrimps sich durch den mehrere 1000 Quadratmeter großen Markt kämpfen?!
Nach zwei, drei Wochen habe ich meine ehrgeizigen Kochpläne eingestampft. Stattdessen kocht Frau Tram Pho, wir bestellen Pizza oder ich koche Spaghetti Bolognese. Ich kann es mir die miserable Versorgungslage nur mit der noch schlechteren Infrastruktur erklären. In Indien vergammeln etwa ein Drittel aller Lebensmittel auf den Straßen, in Vietnam kann es nicht anders sein.
Eines Abends kaufe ich im Annam Gourmet Shop (das Pendant zu „Butter Lindner“ in Saigon) Käse, Schinken und Wein. Plötzlich höre ich wir laute Stimmen im Laden. Rund zwanzig Männer eilen in den Laden. Ein Überfall? Keineswegs. Vor dem Geschäft haben fünf Taxis gehalten, voll geladen bis unter das Dach. Die Männer tragen Milch, Gemüse, Reis und Nudeln in Kartons herein. So sieht sie also die Versorgungskette hier aus, denke ich. Kein Wunder, dass das Gemüse oft vergammelt ist bevor es in die Regale kommt.