Vier, fünf Wochen hat es gedauert, aber nun bin ich angekommen. In der ersten Zeit habe die Zähne zusammengebissen und mir immer wieder Mut gemacht, dass ich doch eigentlich auch zu den Leuten gehöre, die die Dinge schaffen wollen. Aber einmal habe ich dabei ertappt, wie ich die Tage bis zu unserem Abflug gezählt habe – da waren es noch 87. Und ein anderes Mal habe ich heulend auf Christian eingeschrien, dass er sich ein eigenes Hotel suchen solle, ansonsten würde abreisen. Zugegeben, das war etwas sehr dramatisch…..
Saigon hat eben nicht viel zu bieten. „Auch wenn kaum jemand die Stadt schön nennen würde, wartet HCMS doch mit einigen faszinierenden Sehenswürdigkeiten auf: Versteckte Pagoden in abgelegenen Gassen, Museen, historische Stätten und bunte Märkte sind Teil der chaotischen Metropole“, heißt es im Lonely Planet. Sodann werden das Kriegsreste – und das Historische Museum aufgelistet sowie die Pagode des Jadekaisers, die noch nicht einmal so alt ist wie Christians Großmutter. Der LP empfiehlt, die Highlights in 3 Stunden abzulaufen. Wir sind 92 Tage hier.
Mit drei Kindern in die „brodelnde Metropole“ (LP) einzutauchen ist schier unmöglich. Christian arbeitet 16 bis 18 Stunden am Tag, ich versinke in Selbstmitleid: Alles, wirklich alles, gebe ich für Mann und Kinder auf, später werde ich nur Vorwürfe von meinen Söhnen bekommen, dass ich alles falsch gemacht habe und Christian wird mich, die unzufriedene Ehefrau, verstoßen. In dieser Laune fragt mich Christian, ob ich mir nicht vorstellen könnte, länger zu bleiben. Ich schaue ihn mit weit aufgerissenen Augen an – hast du überhaupt mitbekommen, wie mein Leben hier aussieht, frage ich vorwurfsvoll. „Findest du es aber nicht auch schön, dass unsere Kinder eine andere Kultur kennenlernen?“, fragt er treuherzig. Mir bleibt die Luft weg. „Geht es hier eigentlich auch mal wieder um mich?“, schnaube ich ihn an.
Mit dem Kindergarten hat sich die Lage deutlich gebessert, ich habe morgens fünf bis sechs Stunden für mich und danach freue ich mich auch wieder auf Kinder und Mann. Morgens frühstücke ich im Mekong Merchant, dort gibt es herrlichen Kaffee und noch bessere Eggs Benedict, mit fluffiger Sauce Hollandaise, knackigem Spinat und köstlichem Honigschinken. Dann lese, schreibe oder arbeite ich ein bisschen bevor ich entweder unsere nächste Reise organisiere oder meine „things-to-do“ Liste in Saigon abarbeite, die im Wesentlichen daraus besteht, 20 Restaurants zu testen, einen Kochkurs zu machen sowie mir neue Sommerkleider schneidern zu lassen. Wenn ich nicht in die Stadt fahre, gehe ich zum Pilates, liege mittags am Pool und lese ein Buch während Frau Tram in unserer Wohnung Frühlingsrollen wickelt, Mangos in mundgerechte Stücke schneidet und Hemden bügelt.
Morgens im Mekong Merchant |
Um 14.30 Uhr hole ich die Kinder ab. Wir trödeln auf dem Schulhof, schaukeln ein bisschen, fahren nach Hause, schwimmen im Pool, spielen Tennis oder Fußball, fahren Fahrrad. Manchmal gehen wir ins Snap-Café oder fahren mit dem Taxi-Boot in die Stadt, um ein Eis zu essen. Das Programm ist nicht sehr abwechslungsreich, doch ich genieße diese Langeweile sehr: Die Konzentration auf die Kinder, die Nähe. Wir sind mittlerweile ein eingeschworenes Team, auch wenn wir unsere kleinen Streits haben. Um viertel vor Acht kommt Christian mit dem Boot nach Hause, wir essen noch gemeinsam zu Abend, lesen den Kindern vor. Und so vergeht ein Tag nach dem anderen, doch ich genieße die Langsamkeit.
Nachmittags ins Snap-Café |
Oder auf den Tennisplatz |