Ausgerechnet Bali?

Aus zwei Gründen wollte ich in den Sommerferien nach Bali: Zum Ersten sind während der Regenzeit in Südostasien angeblich nur Ko Samui und Bali klimatisch attraktiv. Zum Zweiten hatte ich mir nach einigen Monaten Vietnam etwas Kultur gewünscht und wollte nicht wieder nur dumpf am Strand liegen. Christian hatte noch eingeworfen, dass Bali nicht gerade zu den Geheimtipps in der Region gehört. Was den ersten Grund unserer Wahl anbetrifft, so ist das Klima hier in der Tat recht angenehm, nicht so schwül. Allerdings ist es mitunter schon fast etwas kühl (unter 30 Grad!), abends brauchen wir sogar lange Hosen !?! Was kulturellen Reichtum angeht, wurden wir auch nicht enttäuscht. Allerdings sind wir bislang in erster Linie mit australischer Kultur in Berührung gekommen: Die Insel ist das Mallorca der Australier und liegt fest in australischer Hand. Ob Designer Boutique, Coffee Shop, Elephanten Safari Park oder Boutique Hotel – mit allergrößter Wahrscheinlichkeit sind die Besitzer Australier. Das Ergebnis ist eine bizarre Koexistenz von Balinesen, die es tatsächlich auf dieser Insel noch gibt, und australischen Expats. Im Seminyak, einem Strandort im Süden, der mit Orten auf Ibiza vergleichbar ist, reiht sich eine schicke Boutique an die andere, die Restaurants haben Berlin-Mitte-Niveau. Die indonesische Infrastruktur ist dem Rummel jedoch keineswegs gewachsen: ab 16 Uhr stauen sich Autos und Mopeds auf der zweispurigen Straße, es gibt kein vor, kein zurück. Ich würde mal sagen, das Verkehrsaufkommen auf Bali ist mit dem in Jakarta durchaus vergleichbar. Vereinzelt verschwinden Touristen bis zum Bauch in den Löchern der Bürgersteige. Für die 45 km vom Strand nach Ubud haben wir über zwei Stunden gebraucht. Auf den letzten zehn Kilometern vor Ubud säumen Kunsthandwerksläden den Straßenrand. Während zu Beginn noch Buddhastatuen aus Stein und Holz angeboten werden, nähern sich die Produkte immer mehr dem westlichen Geschmack an, je näher wir an Ubud kommen. Schließlich gibt es Holzweihnachtsbäume und Engel zu kaufen. Lässt man den ganzen Trubel hinter sich, ist Bali allerdings ein besonderer Flecken auf dieser Erde, der viele kreative, mitunter verrückte Menschen anzieht. Und irgendwo zwischen dem ganzen Rummel finden wir einige ausgesprochen freundliche und herzliche Balinesen. Etwa auf meinem Morgenspaziergang in Ubud, wo ich um 7 Uhr die einzige Touristin unter lauter Balinesen bin, die Blumen für ihre Opfergaben kaufen. Oder die alte Balinesin die meinen Söhnen beibringt, wie sie Gamelan spielen und Opferkörbchen flechten. Der Gärtner (und gleichzeitig Fußballtrainer der Dorfjugend), der Caspar auf seinem Moped zum Fußballtraining mitnimmt. Die Jungs, die ein Cafe in einer Seitenstraße von Ubud eröffnet haben, wo ich zwar eine Viertelstunde auf meine Cafe Latte warten muss, dieser aber dann auch so liebevoll zubereitet ist, das dieser Latte zu den besten gehört, den ich je getrunken habe. Und irgendwie gehört auch die 50-Jährige, drahtige Yogalehrerin, die früh morgens ihren 30 Jahre jüngeren Liebhaber in den Armen hält und sich (beide Amerikaner) gegenseitige versichern, „dass sie sooo dankbar für diese wundervolle Erfahrung sind“, zu dem, was Bali ausmacht. Sollten wir einmal irgendwo in Südostasien leben, wäre Bali sicher unsere erste Wahl, um westlichen Lifestyle gepaart mit asiatischer Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit aufzutanken.