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Vorfreude auf den Kindergarten

Morgen früh um 8 Uhr geht es los: Caspar, August und Nikolaus gehen in den deutsch-englischen Kindergarten in District 2. Endlich. Vor allem bei Caspar ist die Aufregung groß, fast so groß wie vor dem Schulanfang. Gestern schon haben wir die Uniformen abgeholt: Beige Shorts (Einheitsgröße, Nikolaus geht die Hose bis zu seinen Brustwarzen), weißes Polohemd mit orangen (Caspars Lieblingsfarbe) Streifen und Logo der German International School Saigon (GISS) sowie Cappy und Trinkflasche. Letztere wurde in den vergangenen 30 Stunden ununterbrochen aufgefüllt, in den Kühlschrank gestellt, ausgetrunken, wieder aufgefüllt. Vor dem Schlafengehen haben sich Caspar und August mindestens zehn Mal vergewissert, ob ich auch ja den Wecker gestellt habe: um 8 Uhr geht es los. „Mit dem Taxi“, wie Nikolaus stolz einwirft. Für ihn ist Taxifahren überhaupt das Schönste. Und das machen wir ja reichlich.

Ich erhoffe mir den ultimativen Befreiungsschlag. Denn der erste Betreuungsversuch ging ziemlich in die Hose. Das Somerset-Hotel hatte uns ein englisch sprechendes Kindermädchen organisiert. Mrs. Thuy (oder so), 50 Jahre, drahtig und sehr resolut. Nanny, so hieß sie, weil wir nie so richtig hinter ihren Namen gekommen sind, hatte konkrete Vorstellungen wie der Laden zu laufen hat: Als erstes hat sie Christians gesamte Hemden gewaschen und gebügelt (zu seiner großen Freude), anschließend wurde unser gesamter Kleiderschrank durchgewaschen und gebügelt – die Kinder hatten zum ersten (und wohl auch letzten Mal in ihrem Leben) gebügelte Unterhosen. Nanny war der Meinung, dass August nicht genug esse und hat ihm das Essen mit der Gabel reingeschoben. Das kam naturgmäß nicht gut an. Unter großem Protest, vor allem von Nikolaus, hat sie abends allen Kindern die Haare gewaschen. Das fand selbst ich überflüssig, doch tatsächlich ist es mir nicht gelungen, mich gegen sie durchzusetzen!?! Die Kinder mochten sie irgendwie aber doch, was vor allem daran lag, dass sie in meiner Abwesenheit viel fernsehen durften. „Wir verstehen sie einfach nicht“, sagte Caspar achselzuckend als ich Caspar darauf ansprach, dass ich mit Nanny maximal 30 Minuten Fernsehen vereinbart hatte.

Als nach einer Woche Nannys Schwester starb, und sie für zunächst vier, dann sieben, dann zehn Tage weg musste, habe ich das dankend zur Kenntnis genommen. Nachdem die staatliche deutsche Schule (die von unseren Steuergeldern finanzierte…) nicht auf meine verzweifelten Mails reagiert hat, sind wir eher zufällig an der GISS gelandet, die uns dankend aufgenommen hat. Morgen geht es also los. Allein – bislang habe ich dort mehr Vietnamesen als Deutsche gesehen.

Warmlaufen in der Uniform

Neuanfang im Kindergarten

Um 5.45 Uhr ist die Nacht vorbei: „Mami, wach auf, wir kommen sonst noch zu spät in die Kita!“, steht Caspar vor unserem Bett. Kaum möglich, denke ich schlaftrunkend, die fängt erst um 8 Uhr an. Zu Nikolaus großer Freude fahren wir wenig später mit dem Taxi in die German International School Saigon (GISS). Dort angekommen werden die Kinder schon am Bürgersteig von den Security Guards in Empfang genommen und sollen sich mit Desinfektionsmittel die Hände waschen. Große Skepsis bei August. Caspar, August und Nikolaus kommen (in dieser Reihenfolge) in die Gruppen Krokodil, Fisch und Schildkröte. Ihre Mitstreiter tragen die beliebten deutschen Namen Nanh Chi, Tran und Nam. Und Fritz und Karl sehen aus wie Tran und Nam. Sehr verwirrend für C+A+N. Unsere Kinder sind die einzigen 100%ig deutschen Kinder, was auch erklärt, warum wir einen Super-Discount für die 10 Wochen Schulgeld bekommen haben. Vermutlich werden die Jungs noch in den nächsten fünf Jahren jeden Prospekt sowie die Webseite der GISS schmücken, endlich „echte, deutsche Kinder“. (Bei vielen Kindern ist der einzige Bezug zu Deutschland der, dass der Vater Fan von Borussia Dortmund ist.)

Freundliche Guards warten mit Desinfektionsseife auf die Kinder
Großer Auftakt im Kindergarten

Die Schule ist eine IB (International Baccalaureate)–Schule, schon im Kindergarten werden die Kinder auf das Abitur vorbereitet. Im 45 Minutentakt nehmen nehmen die Kinder Deutsch, Englisch, Mathe, Sachkunde, Musik, Theater, Yoga, Sport, Spielplatzspiel und Tanz durch. Nikolaus hat an diesem Morgen Sachkunde, August Yoga und Caspar Mathematik. Bei jedem Ortswechsel stellen sich die Kinder im Gänsemarsch auf, singen „Hands on shoulders, hands on shoulders“ und ziehen weiter. Das komplette Gegenteil zu unserer „offenen“ Kita. Auch wenn unsere Berliner Kita nicht immer optimal ist, das hier ist mir zu verkopft und zu angestrengt. August nervt das ganze ohnehin mächtig, besonders als Tanz auf dem Programm steht. Joyce, eine bildhübsche Mauritianerin, übt mit den Kindern Salsa. Christian würde bei ihrem Anblick – und vor allem bei dem ihres Hüftschwungs – sofort mit seinen Söhnen tauschen. Als nächstes tanzen die Kinder Gangnam Style, Joyce dreht richtig auf, die kleinen Mädchen gehen mit, sehr süß. August findet es blöd: „Ich hab` gesagt, ich will Sport machen, nix von Tanzen!!!“ Überhaupt hat er sich es alles etwas anders vorgestellt: „Ich hab`gesagt, ich will Englisch lernen und nicht, dass die die ganze Zeit Englisch reden und ich nur „no, no, no“, verstehe!!“

Die meiste Zeit bin ich bei Nikolaus, der reichlich verschüchtert ist. Im Sachkundeunterricht nehmen die Kinder das Thema Mexiko durch, das hätten sie sich ausgesucht (die Kinder?!?), erklärt mir Eva. Ich hüpfe mit Sombrero auf dem Kopf, Maracas in der Hand, Nikolaus auf dem Arm durch den Raum und trällere ein mir unbekanntes mexikanisches Lied nach. Es ist einer dieser Momente, in denen ich besser nicht darüber nachdenke, ob es eine gute Entscheidung war, nach Vietnam zu kommen. Nikolaus findet tanzen übrigens genauso blöd wie August. Nikolaus hat zwei Erzieherinnen (bei insgesamt fünf Kindern), eine Schweizerin (Eva), die der Prototyp einer Schweizerin ist, ruhig, nachdenklich, ernst, langsam, ein bisschen langweilig, aber sehr fürsorglich. Und Andrea, eine junge, hoch motivierte und enthusiatische Amerikanerin aus Maryland, die mich an diesem Morgen völlig fertig macht. An jedem Satzende spricht sie vor lauter Begeisterung jeweils eine Octave höher. So viel gute Laune und Begeisterung bin ich nach fünf Jahren Ost-Berliner- Erzieherinnen nicht mehr gewohnt. Und im Übrigen kann ich so viel gute Laune auch gar nicht verkraften bevor ich nicht zwei Cafe Latte intus habe (was ich an diesem Morgen nicht habe). Nikolaus hat indes weniger Vorbehalte und als es ans Aufräumen geht, singt er mit Andrea: „Tidy up, tidy up!“

Caspar hat einen großartigen Tag in der Kita. Er will überall mitmachen, alles ausprobieren, nur Musik auf Englisch findet er nicht so gut. Er hat auch schon „fast“ eine Freundin. In sein „Communication Book“ schreibt seine Lehrerin: „Heute haben wir ein Buchstaben Memory gespielt. Caspar kann schon sehr viele Buchstaben. Wir freuen uns, dass Caspar bei uns ist. Er ist eine Bereicherung für unsere Gruppe!“ Nachdem ich Caspar erkläre, was eine Bereicherung ist, ist er noch glücklicher, ich muss ihm die Zeilen noch fünf Mal vorlesen. Morgen will er „so lange die Kita offen hat“ in die Kita gehen. Trotz aller Vorbehalte: Die Erzieherinnen sind allesamt sehr nett und kümmern sich rührend um die Kinder. Zehn Mal besser als Nanny (auch zehn Mal so teuer ☹). Und Christian und ich sind irre stolz, wie die Kleinen die neue Situation meistern. Es ist natürlich wahnsinnig anstrengend für sie, August muss viel weinen.

Nachtrag: Mittlerweile gehen die Kinder schon drei Wochen in die Kita. Caspars Enthusiasmus hat nachgelassen, ebenso Augusts Skepsis. Begeistert tanzen Nikolaus und August zu dem Techno-Song „Ich bin ein Gummibär“.

Morgengymnastik

Wohnungsnot

Verloren. Auf dem Weg vom Hotelzimmer in das Restaurant hatte ich mit mir selbst gewettet, dass es heute Pho Bo (Rindernudelsuppe) zum Frühstück gibt und „Baby love“ aus den Lautsprechern des Poolrestaurants tönt. Seit knapp drei Wochen esse ich morgens nämlich eine von zwei Suppen: Pho Bo oder Tom Yum. Und es gibt zwei CDs, die 24 Stunden am Tag aus den Lautsprechern trällern: „True colours“ oder „Baby love“, in jedem Fall aber Saxophon.

Hier haben wir (zu) viel Zeit verbracht…..

Seit knapp drei Wochen wohnen wir hier im District 1. Zumindest der Pool hat gehalten, was auf der Webseite versprochen wurde. Ansonsten sind die Apartments etwas in die Jahre gekommen, alles in allem etwas „filthy“, das Essen im Restaurant so schlecht, dass selbst Christian sich zuletzt weigerte, es zu essen. Immerhin sind die Angestellten wahnsinnig nett, Caspar spielt abends mit den Kellnern Fußball gespielt, Nikolaus mit den Kellnerinnen Fangen. Aber länger kann ich hier nicht mehr leben!

Wir gehen auf Wohnungssuche. Christian schwebt eine Villa mit Pool vor, ich will vor allem die Kinder nicht morgen eine halbe Stunde in die Schule kutschieren, auf die sie bald gehen werden. In Frage kommt eigentlich nur An Phu, District 2, im Nordosten der Stadt. Hier ist nicht nur unser Kindergarten, sondern auch diverse andere internationale Schulen sind hier. Der Ex-Pat-Anteil liegt bei gefühlten 90 Prozent, die Villen im Kolonialstil werden für 6000$ monatlich vermietet und richten sich sicherlich nicht an den vietnamesischen Markt. Es gibt Café Latte, Croissants und Käse in bester Qualität, wenn auch zu ernstzunehmenden Preisen. Christian und ich sind skeptisch. Allerdings ist District 1, wo man keinen Kinderwagen über die Straße schieben kann, ohne überfahren zu werden, mit kleinen Kindern auch nicht wirklich eine Alternative. Von den Rooftop Bars haben wir derzeit nicht viel. Spielplätze und Häagen Daaz Eiscreme sind angesagter, beides gibt es in An Phu reichlich. Also suchen wir dort und reihen uns in die Ex-Pat-Gemeinde ein.

Idyllisches An Phu

Ich lerne Dan kennen. Dan, Engländer, ist vor 19 Jahren nach Saigon gekommen und hat sich seit dem ein kleines Imperium in An Phu aufgebaut. Ob die Villa, das Kindermädchen, das Steak aus Australien, das Bio-Gemüse, die Geschenke für den Kindergeburtstag oder den Chardonnay in seinem Restaurant – Dan erfüllt jeden Wunsch. Er weiß, was der Ex-Pat im Leben braucht. Kurzfristig ist es schier unmöglich eine Villa zu finden, aber Dan findet doch eine für uns. In der Hütte lebte einst der Chef von LÓreal Vietnam, bevor – vor etwa vier Jahren- eine Horde Katzen das Haus besetzte, in alle Ecken pieselte und an den Rattanmöbeln die Krallen wetzte. Aber es gibt einen Garten und einen Pool. Dan sieht kein Problem darin, das Haus und den verwilderten Garten in fünf Tagen wieder in Schuss zu bekommen – wir schon und suchen weiter.

Lan An Village – die teuerste Gegend in HCMC, schlägt Christians Kollege Joseph vor. (Warum will uns eigentlich jeder nur das Teuerste verticken?) Wir gucken uns die Gegend an: Mitten in HCMC, am Fluss, direkt gegenüber des Business Districts. Auf dem Areal, das so groß ist wie der Volkspark Friedrichshains sind rund 20 Villen verteilt, dazu gehören Pool und Gym mit Wasserblick. Die ganze Anlage ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber die Lage ist beeindruckend – zentraler und gleichzeitig ruhiger geht es nicht. Eigentümer des Compounds ist der Ex-Präsident, und Josephs Schwiegermutter ist Ministerin, wofür haben wir nicht herausbekommen. „Hier leben die Milliardäre Vietnams“, erklärt Joseph. „Hier werden die Geschäfte gemacht.“ Um gute Geschichten zu erleben, wäre eine Villa hier sicherlich perfekt. Für unsere Kleinfamilie ist das Bonzenviertel eher unpassend.

Das „Bonzenviertel“ Lan An im Grünen….
….und mit Blick auf die Innenstadt

Auf dem Weg zurück in Christians Büro will ich mehr über Joseph erfahren, der in Australien aufgewachsen ist, vor 8 Jahren aber wieder zurück nach Vietnam kam und eben mit der Tochter „der“ Ministerin verheiratet ist. Das ist nicht weiter schwer, Joseph hält mit Informationen nicht zurück. Was seine Frau macht, will ich wissen. „Sie ist die Tochter der Ministerin“ – ich liebe es, wenn ich auf die Frage, was jemand macht, die Antwort bekomme, wer sie oder er ist. „But what does she do?“, hake ich nach. „Basically she is into investments and real estate“, sagt Joseph. „Like my wife“, wirft Christian ein. Ich bin mir sicher, wir spielen nicht in derselben Liga. „And she owns a franchise company for Bubble Tea.“ Vielleicht sollte ich auch ins Bubble Tea Geschäft einsteigen, überlege ich…..

Wir ziehen zu Josephs Bedauern nicht nach Lan An, obwohl ich dort sicher skurilere Menschen getroffen hätte als in An Phu. Joseph nimmt es gelassen. Aber wir sollen unbedingt einmal nach Nha Trang kommen, wir können dort auch umsonst im Hyatt wohnen – das gehört nämlich seiner Frau (ich frage mich, warum dieser Typ überhaupt bei Lazada arbeitet?!?!)

Schließlich finde Dan doch noch die Lösung für uns. Das Riverside. 12 Apartmenthäuser am Stadtrand, der Pool direkt am Fluss gelegen, von unserem Apartment blicken wir über den Saigon River in die Palmen. Drei Tage später ziehen wir ein. Nachts hören wir die Schlepper mit ihren Containern über den Fluss tuckern, Christian fährt morgens mit dem Speedboat zum Job, ich gehe in der Mittagshitze ins Fittnesstudio. Abends holen wir Christian mit dem Boot ab oder fahren einfach so zum Eisessen in die Stadt. Nikolaus hat nun neben Taxifahren noch ein zweites Hobby: „Speedboat fahren!“ Und August fragt, warum der „Service“ die Wohnung noch nicht aufgeräumt hat….Na, wenn das mal keine Umstellung wird, wenn wir wieder nach Berlin kommen.

Das Riverside – endlich ein Zuhause

Endlich Regen!

Endlich Regen!!! Heute morgen (5.40 Uhr) bin ich von den auf die Fensterscheiben prasselnden Regentropfen wach geworden – herrlich!! Seit Tagen verharrt das Thermometer bei 36 Grad, es kühlt nachts nicht mehr ab, selbst in den frühen Morgenstunden ist es drückend heiß. Das Leben ist ein Dampfbad. War es vor wenigen Wochen noch mein größtes Problem, die Raumtemperatur in unserer Berliner Wohnung auf 22 Grad zu erwärmen, gebe ich nun alles, um die Luft mit Hilfe von AC und Ventilator irgendwie auf 22 Grad abzukühlen. Mein Versuch, mich im Swimming Pool zu erfrischen, ist erfolglos. Das Wasser ist auf gefühlte 32 Grad aufgeheizt, die Sonne brennt unter der Wasseroberfläche auf meinen Kopf. Ich flüchte aus dem Pool, allein, das Wasser, das aus der Dusche kommt, ist noch wärmer. Meine Freundin Anna hat mir Bilder von der verschneiten Ostseeküste geschickt. Ich schließe die Augen. Ich stelle mir vor, wie ich mich im Bikini im Schnee wälze – allein der Gedanke ist herrlich erfrischend…..

Jetzt prasselnd die Regentropfen auf den Asphalt, ein frischer Luftzug kommt über den Saigon River. Noch bevor die Kinder oder Christian wach sind, gehe ich an die Pool-Bar, trinke einen Kaffee, sehe die Schiffe und Boote an mir vorbeiziehen, in denen ausländische Geschäftsleute (so auch Christian) ins Büro in die Innenstadt fahren.

Blick über den Saigon Fluss – die Sonne scheint schon wieder

Ostern unter Russen

Ostern naht. Das ist zwar kein traditionelles vietnamesisches Fest, aber in An Phu wird es dennoch groß gefeiert. Überall gibt es Lindt-Schokoeier zu kaufen. Ich habe überredet, sich Ostermontag freizunehmen sowie den Dienstag, Christians Geburtstag. Wir wollen ans Meer fahren.

Ostern im Riverside: Schokoladeneier und Kinder schmelzen dahin

Wir sind natürlich viel zu spät dran und mittlerweile habe ich auch begriffen, dass hier immer Peak Season ist. Entweder feiern die Vietnamesen (und die feiern ständig: Wiedervereinigung, Ho Chi Minhs Todestag, das Mondjahr….) oder die Ex-Pats, so ist eigentlich jedes Wochenende ausgebucht. Erschwerend kommt hinzu, dass wir sehr luxuriös wohnen und es gar nicht so einfach ist, den Standard noch zu übertreffen. Christian ist zu keiner Aussage zu bewegen, wie er Ostern und seinen Geburtstag verbringen will. „Vielleicht im Backpacker?“, murmelt er. Da das Mui Ne Backpacker einen ausgezeichneten Ruf hat, buche ich uns dort ein, allerdings erst am Sonntag, damit Christian nach seiner 70 Stunden Woche am Samstag erst einmal ausspannen kann.

Nachdem mein geliebter Mann ausgeschlafen hat, fällt ihm schlagartig auf, dass er ja in diesem Jahr am 2. April Geburtstag hat. Und dass er diesen Tag am liebsten im Fünf-Sterne-Hotel verbringen will. Und überhaupt will er SOFORT los. Zum Glück hatte ich bei unserem örtlichen Reiseberater, Mr. Hai, schon sämtliche Übernachtungsoptionen (die sind für eine fünfköpfige Familie nämlich recht eingeschränkt) abfragen lassen und lege diese Christian als Entscheidungsgrundlage vor. Wenig später sitzt die gesamte Familie in einem Reisebus, ein kleinerer Wagen war so kurzfristig nicht zu haben. Nikolaus ist sichtlich beeindruckt – noch besser als Taxi fahren.

Wir stehen zwei Stunden im Stau, denn zu diesem Zeitpunkt ist halb HCMC auf dem Weg zum Meer. Schließlich kommen wir bei Dunkelheit in Mui Ne an. Christian und ich waren vor zwölf Jahren schon einmal in Mui Ne. Damals gab es ein paar Bambushütten am Strand, einige Plastikstuhl-Restaurants und ein paar ein Surfer. Als wir am Samstagabend in Mui Ne ankommen säumt sich Ressort an Ressort und Shop an Shop, kyrillische Schriftzeichen blinken uns in Neonfarben entgegen, dass wir unsere Sonnenbrillen herausholen müssen, so sehr werden wir geblendet. „Das ist ja beängstigend“, stöhnt Christian. Inmitten von Little Odessa hält unser Fahrer, hier ist unser Hotel. Wir essen im Bistro völlig überteuerte Spaghetti und Frühlingsrollen, die uns die muffige Chefin im grauen Mao-Hosenanzug serviert. Um uns herum sitzen fettleibige Russen mit Goldkettchen.

Russischer Charme in Mui Ne

Abends lese im Lonely Plant: „Zwischen Kilometer 11 und 14 sorgen kyrillische Schriftzeichen für russischen Flair.“ Unser Hotel liegt bei Kilometer 12,6. Die Jungs gehen schlafen, ich mache mich auf Weg, eine neue Unterkunft zu suchen. Allerdings ist das nicht so einfach. Der ganze Ort ist fürchterlich. Ein scheußliches Ressort nach dem nächsten, die Läden sind voll gestopft mit Klamotten, die man nicht einmal geschenkt haben will. Mir rollen dicke, unansehnliche Menschen entgegen und ich frage mich, wo die ganzen hippen Kite-Surfer sind?!? Auf jeden Fall sind sie die verschwindende Minderheit. Das Backpacker liegt am betonierten Strandabschnitt von Mui Ne – immerhin das ist uns erspart geblieben.

Am nächsten Morgen sieht die Welt jedoch ganz anders aus: Unser Hotel liegt am schönsten Strandabschnitt, der Wind weht uns um die Nase, am Himmel schweben die Drachen der Kite-Surfer. Wir haben einen wunderschönen Swimmingpool, in dem Caspar noch schwimmen lernen wird. Nur was unsere Mitbewohner anbetrifft, müssen wir uns in Toleranz üben. Um uns herum wird nur russisch gesprochen. „Es gibt wirklich kein Volk, dass so unästhetisch ist, wie die Russen“, sagt Christian, der ja sonst recht tolerant ist. Ich muss ihm leider recht geben. Um uns herum sind die meisten Menschen schwer übergewichtig. Das hält die Frauen aber keineswegs davon ab, sich in einen Bikini zu zwängen und in den Pool zu platschen, dass ein mittlerer Tsunami durch das Becken schwappt. Im Abendlicht posieren die Paare (größtenteils Mitte 50) vor den Wellen, die Frauen wippen ihre wassermelonengroßen Brüste stolz in den Händen, die Männer strecken ihren behaarten Bierbauch in die untergehende Sonne. Wir sehen fassungslos zu.

Blick von meiner Sonnenliege – unsere russischen Freunde ganz links im Bild

Wir gewöhnen uns an den Anblick und verbringen vier herrliche Tage am Meer. Die Luft ist erfrischend, stundenlang sehen wir den Kite-Surfern zu und lassen unsere Gedanken schweifen. Das Mia Resort, das leider schon ausgebucht war, ist nur drei Häuser entfernt, dorthin flüchten wir öfter und genießen Cocktails an der Strandbar. Hier feiern wir auch Christians 38. Geburtstag, zu dem es allerdings nur ein maßgeschneidertes Hemd, Flip Flops und Knetbilder von den Kindern gibt. Während uns morgens um 9 Uhr bereits ein Schweißfilm überzieht, erreicht uns ein Bild mit einem selbstgebauten Schneehasen von Nina aus der Schweiz. Schnee – das war gestern.

Geburtstag mit Kaffee. aber ohne Blumen

Kurz vor unserer Abreise zeigt sich Vietnam dann noch von seiner besten sozialistischen Seite. Man muss wissen, dass ein großer Teil der Tourismusindustrie in staatlicher Hand ist. So auch unser Hotel. Irgendein Funktionär hat sich beispielsweise ausgedacht, dass indirekte Beleuchtung ganz toll ist und so befinden sich in unserem 24m2 Bungalow 38 indirekte Deckenstrahler – nur kein Licht, um abends ein Buch zu lesen. Wir wollen einen Late Check-Out und machen den Fehler direkt bei der Rezeption nachzufragen, nicht bei Mr. Hai in Saigon. Für drei Stunden sollen wir denselben Preis bezahlen wie für einen ganzen Tag! Wir verhandeln hart. Schließlich dürfen wir für denselben Preis fünf Stunden bleiben. Christian, den sonst so ziemlich nichts aus der Ruhe bringt, platzt der Kragen und will den Manager sprechen. Der überforderte Angestellte redet auf mich im schlechtesten Englisch ein: „It´s your husbands birthday today“, sagt er mit asiatischem Lächeln. „When do you want to eat the cake? It´s a present!“

Für teures Geld können wir noch fünf Stunden länger bleiben und Sahnetorte essen.

Die Großeltern kommen zu Besuch

Die Großeltern haben sich angemeldet. Albrecht war gleich fest entschlossen, uns nachzureisen, Gabriele hielt es zunächst für eine Schnapsidee, aber glücklicherweise hat sich Albrecht durchgesetzt. Wir freuen uns schon seit Tagen: Christian seine Eltern wieder zusehen, mehr über die Familienereise nach Indonesien Mitter der 80er Jahre zu erfahren, die Jungs auf ihre Momi, die Geschichten vorliest und ich freue mich, endlich wieder einmal Ansprache von über Sechsjährigen zu haben.

Um 6.30 Uhr setzen wir uns ins Taxi, die Großeltern kommen mit der Morgenmaschine der Air France. Die Aufregung unter den Kindern ist groß. Wir kämpfen uns eine halbe Stunde durch den Morgenverkehr. Erwartungsvoll sehen wir uns die aussteigenden Passagiere an. Nichts. Wir warten eine halbe Stunde, nichts passiert. Ich rufe Albrecht an, eine verschlafene Stimme ist am Telefon. Er ist noch in Berlin, dort ist es zwei Uhr Nachts. Große Katastrophe: Gabrieles Pass ist abgelaufen, zudem hatten beide keine Visum, die Flüge sind verfallen, zwei neue Flüge mussten gebucht werden – die Eltern sind nervlich am Ende. Ob wir ihre Emails nicht bekommen hätten? Haben wir nicht, bzw. Christian kommt nur noch einmal die Woche dazu, seine privaten Mails zu checken – eher ungünstig in solchen Fällen. Aber am Freitag würden sie jetzt kommen, so die Visa noch rechtzeitig einträfen.

Wo sind die Großeltern?

Große Enttäuschung auf allen Seiten. Unter mir tut sich ein Abgrund auf: Statt Bespaßungsprogramm mit den Großeltern habe ich unsere Kinder wieder 24/7…..

Mit dem Taxi geht es unverrichteter Dinge wieder zurück

Zwei Tage späte, 6.30 Uhr, dasselbe Programm, auf zum Flughafen. Doch diesmal sind die Großeltern schon da. Große Freude! Nur Albrecht hat seine Brille im Flugzeug vergessen…. Die nächsten Tage verbringen wir damit, den Großeltern unsere kleine Welt zu zeigen: Das Riverside, die GIS, das Snap-Cafe, Mekong Merchant, Einkaufen auf der Dong Khoi – und damit, Albrechts Brille wiederzufinden.

Mit den Großeltern nach Mui Ne

Mui Ne, zweiter Anlauf Unseren Vorschlag, nach Angkor Wat mit den Kindern zu fahren, bügelt Albrecht in der ersten Anfangsmüdigkeit ab. Stattdessen fahren wir nach Mui Ne, diesmal jedoch ins Mia Resort, das wir schon beim letzten Mal ausgekundschaftet haben.

Wir nehmen den Zug um 6.50 Uhr von Saigon nach Phant Thiet. Mr. Hai, unser Reiseberater, erklärt, wir müssten 40 Minuten früher am Bahnhof sein und wir bräuchten 45 Minuten dort hin. Damit ist unser Abflug vom Riverside für 5.30 Uhr terminiert, eine größere Herausforderung, betrachtet man die Zusammensetzung unserer Reisegruppe: Drei Minderjährige, die zum Teil noch mit Schnuller und Kuscheltier verreisen, ein fast 70-Jähriger Großvater, eine hektische Großmutter sowie eine völlig verspannte Schwiegertochter und Mutter von drei Söhnen. Albrecht, der Frühaufsteher, soll den Wecker stellen. Um 5.30 Uhr sind die Kinder und ich gepackt und abfahrbereit, Albrecht kommt im Pyjama zu uns und fragt, wann es los geht: „Jetzt“, sage ich.

Der Beginn der Reise
Innerhalb von zehn Minuten sind die Großeltern gepackt, Gabriele macht sich Vorwürfe: „Hätte ich bloß den Wecker gestellt!“. Der Taxi-Fahrer weiß nicht, wo der Bahnhof ist und versteht nichts. „Das geht ja bestens los“, denke ich und sehe uns schon mit dem Taxi nach Mui Ne fahren. Plötzlich klingelt Albrechts Wecker im Kofferraum – Zeit zum Aufstehen. Irgendwie findet der Fahrer den Weg dann doch und das in 20 Minuten. Wir sind die ALLERERSTEN im Zug, um 6.10 Uhr. Auch fährt der Zug nicht wie auf dem Ticket ausgedruckt um 6.50 Uhr ab, sondern um 7.10 Uhr. Die echten Profis wissen das, und kommen um 7.05 Uhr zum Bahnhof geschlendert. Später erklärt mir unsere schwedische Hotelmanagerin Anna, dass man im Reisebüro immer gesagt bekäme, eine dreiviertel Stunde früher da zu sein. „Die Vietnamesen haben einfach kein Zeitverständnis“, sagt sie achselzuckend. Würde man ihnen sagen, sie sollten um 6.50 Uhr da sein, kämen sie vermutlich erst um 6.55 Uhr und der Zug würde nie pünktlich abfahren.“

Morgens um 6 Uhr am Bahnhof

Nach und nach füllt sich der Zug, neben ein paar Touristen, reisen vietnamesische Kleinfamilien mit uns, ältere Paare, die über ihren Zeitungen einschlafen sobald der Zug losfährt. Mit 45 kmh tuckeln wir über das Land, so dicht an den Häusern vorbei, dass ich das Gefühl habe, durch das Wohnzimmer zu fahren. Momi liest „Spuk unterm Riesenrad“ vor, beim Uno-Spielen gibt es Tränen, das alles unter massiven Schlafmangel. Irgendwann sind wir da, mit dem Taxi geht es von Phna Thiet nach Mui Ne.

Was steht denn da wieder im Tagebuch?!?

Das Mia-Hotel ist ein Traum: Bambushütten, kleiner, gepflegter Garten, Pool, Palmen, tropische Blumen leuchten in pink und lila, Loungesessel und –musik. Und vernünftiger Kaffee. Unser Bungalow lässt ebenfalls keine Wünsche offen, Gabriele ist ganz glücklich über ihre Dusche unter freiem Himmel. „Hier ist es schön“, stellt auch August fest. Im Strandcafe pfeift uns der Wind um die Ohren, wir essen köstliche Clubsandwiches. Am Pool lerne ich Anna (English Anna) mit ihren drei süßen Kindern kennen, die uns bereits kennt: Ich hatte sie per Mail kontaktiert, da sie ihr Haus auf Air BnB gepostet hat. Sie erkennt uns gleich: „German family of five, our boys are 6,4 and 2 years old“. Halb An Phu scheint Ferien im Mia Resort zu machen, irgendwie auch erschreckend wie klein die Welt in HCMC ist.

So schön kann Mui Ne sein

Abends sitzen wir an der Bar und fragen die Eltern aus. Warum denn damals nicht die ganze Familie mit nach Indonesien gegangen sei? „Die Kinder waren gerade aus dem gröbsten raus, ich wollte meine Ausbildung anfangen“, erzählt Gabriele. Fünf Jahre, so Gabriele, hätten sie dort bleiben sollen. „Das hätte ich vergessen können mit meiner Ausbildung.“ Albrechts Version lautet wie folgt: „Zuerst sollte ich ja nur drei Monate bleiben, für die kurze Zeit wollte Gabriele nicht mit.“ Dann sei ein Jahr daraus geworden, er sei aber alle vier bis sechs Wochen nach Frankfurt gekommen. „Stimmt überhaupt nicht“, protestiert Gabriele. „Kein einziges Mal war er da.“ Am Ende des Jahres fand die denkwürdige sechswöchige Indonesien-Reise statt, von der Christian immer noch erzählt. Ob sich unsere Kinder später noch an diese Zeit erinnern werden? Und an was?

Nach zehn Tagen reisen die Großeltern glücklich und erholt ab. Wie schön (und das meine ich wirklich so), dass wir so viel Zeit miteinander verbracht haben!

Email für die Kita

Um die Zeit im Zug zu vertreiben, schreiben Caspar und August eine Email an ihre Berliner Kita:

Liebe Susanne, liebe Kita,

wir sind hier schon länger, das merkt Ihr ja. Und wie Ihr Euch denkt, ist in der Zeit schon viel passiert. In der Stadt sind viele 1000 Motorräder, viel mehr als in Berlin und mehr Taxis, die sind grün und haben immer so eine Nummer. Wir kennen uns schon sehr gut aus. Es gibt einen Laden, den wir „fast-alles-Laden“ nennen und wir kennen ein Café, das Snap Café. Da kann man Fleisch kaufen, Spielzeuge, und man kann dort auch Klamotten kaufen. Das wollen wir aber nicht.

Wir wollten einmal unsere Momi und Opapa vom Flughafen abholen, aber der war einiges passiert. Der Opapa hatte kein Visum und von der Momi war der Pass abgelaufen. Da hätten wir uns das frühe Aufstehen sparen können.

Wir sind schon öfter mit vielen Booten gefahren. Wie Ihr Euch denkt mit Motorbooten. Denn in unserem Motel, wir wohnen nämlich in einem Hotel, gibt es Taxi-Boote. Ein Taxi-Boot ist kaputt gegangen und die Werkstatt für das Taxi-Boot ist hinter einem Zaun. Und wir können sehen, wie das Boot repariert wird. Es hat zwei Motoren. Wir sind auch mit einem anderen Boot gefahren.

Euer Caspar

Euer Caspar war leider ein Fehler, denn ich dachte August will weiter schreiben. Stattdessen will August lieber Uno spielen. Wo wir uns befinden, kann ich Euch sagen. Wir sind in einem Zug, in einem vietnamesischen Schnellzug. Glaubt ja nicht, dass der schneller als ein ICE in Berlin fährt. Der fährt so langsam wie eine Lokomotive, die schon seit Jahren fährt und der Motor halb kaputt ist. Die fährt so langsam, da wäre man mit dem Auto viel schneller da. Sie fährt vier Stunden. Da hätte ich ja hinterher rennen können.

Euer Caspar

Emails schreiben im Zug

Und jetzt kommt August:

Liebe Kita, wir fahren gerade Zug. Wir wohnen im Riverside Apartment, in dem 6. Haus. Denn da gibt es immer so Nummern, die auf den Häusern drauf sind. Wir mussten schon ganz früh aufstehen, damit wir den Zug nicht verpassen. Wir fahren ans Meer, nach Mui Ne. Seit ein paar Wochen gehen wir hier in eine deutsche Kita. Ich gehe in die Fisch-Gruppe, Caspar ist in der Krokodil-Gruppe und Nikolaus ist bei den Schildkröten. Und in der Kita müssen wir auch Mittagsschlaf machen. Euer August

Angekommen

Vier, fünf  Wochen hat es gedauert, aber nun bin ich angekommen. In der ersten Zeit habe die Zähne zusammengebissen und mir immer wieder Mut gemacht, dass ich doch eigentlich auch zu den Leuten gehöre, die die Dinge schaffen wollen. Aber einmal habe ich dabei ertappt, wie ich die Tage bis zu unserem Abflug gezählt habe – da waren es noch 87. Und ein anderes Mal habe ich heulend auf Christian eingeschrien, dass er sich ein eigenes Hotel suchen solle, ansonsten würde abreisen. Zugegeben, das war etwas sehr dramatisch…..

Saigon hat eben nicht viel zu bieten. „Auch wenn kaum jemand die Stadt schön nennen würde, wartet HCMS doch mit einigen faszinierenden Sehenswürdigkeiten auf: Versteckte Pagoden in abgelegenen Gassen, Museen, historische Stätten und bunte Märkte sind Teil der chaotischen Metropole“, heißt es im Lonely Planet. Sodann werden das Kriegsreste – und das Historische Museum aufgelistet sowie die Pagode des Jadekaisers, die noch nicht einmal so alt ist wie Christians Großmutter. Der LP empfiehlt, die Highlights in 3 Stunden abzulaufen. Wir sind 92 Tage hier.

Mit drei Kindern in die „brodelnde Metropole“ (LP) einzutauchen ist schier unmöglich. Christian arbeitet 16 bis 18 Stunden am Tag, ich versinke in Selbstmitleid: Alles, wirklich alles, gebe ich für Mann und Kinder auf, später werde ich nur Vorwürfe von meinen Söhnen bekommen, dass ich alles falsch gemacht habe und Christian wird mich, die unzufriedene Ehefrau, verstoßen. In dieser Laune fragt mich Christian, ob ich mir nicht vorstellen könnte, länger zu bleiben. Ich schaue ihn mit weit aufgerissenen Augen an – hast du überhaupt mitbekommen, wie mein Leben hier aussieht, frage ich vorwurfsvoll. „Findest du es aber nicht auch schön, dass unsere Kinder eine andere Kultur kennenlernen?“, fragt er treuherzig. Mir bleibt die Luft weg. „Geht es hier eigentlich auch mal wieder um mich?“, schnaube ich ihn an.

Mit dem Kindergarten hat sich die Lage deutlich gebessert, ich habe morgens fünf bis sechs Stunden für mich und danach freue ich mich auch wieder auf Kinder und Mann. Morgens frühstücke ich im Mekong Merchant, dort gibt es herrlichen Kaffee und noch bessere Eggs Benedict, mit fluffiger Sauce Hollandaise, knackigem Spinat und köstlichem Honigschinken. Dann lese, schreibe oder arbeite ich ein bisschen bevor ich entweder unsere nächste Reise organisiere oder meine „things-to-do“ Liste in Saigon abarbeite, die im Wesentlichen daraus besteht, 20 Restaurants zu testen, einen Kochkurs zu machen sowie mir neue Sommerkleider schneidern zu lassen. Wenn ich nicht in die Stadt fahre, gehe ich zum Pilates, liege mittags am Pool und lese ein Buch während Frau Tram in unserer Wohnung Frühlingsrollen wickelt, Mangos in mundgerechte Stücke schneidet und Hemden bügelt.

Morgens im Mekong Merchant

Um 14.30 Uhr hole ich die Kinder ab. Wir trödeln auf dem Schulhof, schaukeln ein bisschen, fahren nach Hause, schwimmen im Pool, spielen Tennis oder Fußball, fahren Fahrrad. Manchmal gehen wir ins Snap-Café oder fahren mit dem Taxi-Boot in die Stadt, um ein Eis zu essen. Das Programm ist nicht sehr abwechslungsreich, doch ich genieße diese Langeweile sehr: Die Konzentration auf die Kinder, die Nähe. Wir sind mittlerweile ein eingeschworenes Team, auch wenn wir unsere kleinen Streits haben. Um viertel vor Acht kommt Christian mit dem Boot nach Hause, wir essen noch gemeinsam zu Abend, lesen den Kindern vor. Und so vergeht ein Tag nach dem anderen, doch ich genieße die Langsamkeit.

Nachmittags ins Snap-Café
Oder auf den Tennisplatz

Und noch einmal Mui Ne

Donnerstagabend, wir sind gepackt, das Auto steht vor der Tür. Diesmal habe ich alles richtig gemacht: Obwohl wieder einmal ein Holiday-Wochenende ist (König Hung Fus Geburtstag) haben wir den richtigen Bungalow im richtigen Ressort, wir fahren zur richtigen Zeit los, wir stehen NICCHT im Stau. Ich gratuliere mir selbst. Um Mitternacht kommen wir an, am nächsten Morgen sitzen wir ausgeschlafen am Frühstück am Pool. Die Kinder kennen sich mittlerweile bestens im Mia Resort aus, die Poolboys kennen sie noch, bald bauen Poolboys und Kinder eine große Sandburg, Christian und ich genießen unseren Latte. Selbstzufrieden klopfe ich mir auf die Schulter: Wieder alles richtig gemacht!

Die Kinder planschen fast den ganzen Tag im Pool, im Hintergrund blühen zyklamrote Bougainvillea, der blaue Himmel, die Palmen, das Meeresrauschen. Ich möchte das Bild für immer festhalten, aber kein Foto wird dem gerecht. Christian und ich lesen den halben Tag unsere Krimis, abends geht die ganze Familie Wellenbaden. „Ninaus (t)raurig“, sagt der kleine Mann auf meinem Arm. „Keine Wellen heute“, schnieft er.

Planschen im Pool

Oder Chillen am Pool
Morgens besteht Caspar darauf, mit mir allein am Strand spazieren zu gehen – und zwar noch weiter als ich gestern mit August gegangen bin. Er möchte so weit laufen, bis es keine Häuser mehr gibt. Wir schlendern am Strand entlang, Caspar sammelt Muscheln, die er nach Berlin mitnehmen möchte. Ich erzähle ihm von unserer Reise vor zwölf Jahren, und dass es damals die ganzen Hotels noch gar nicht gab. Dort, wo Christian und ich einst am einem einsamen Strand übernachtet hatten, wurde die Küste mit Beton zugepflastert. Hier endet auch unser Spaziergang, Caspar und ich kommen nicht weiter. Wir wollen gerade zu Fuß umkehren, da bleibt ein Jet-Ski-Taxi vor uns stehen. Wir handeln den Fahrer von 20 auf 5 Dollar herunter, was immer noch viel zu viel für fünf Minuten ist. Aber wir haben eine Menge Spaß. Caspar jauchzt vor Vergnügen, mit wird ganz schwindelig, so springen wir über die Wellen. Wir fahren vor unserem Resort vor, Caspars Brust ist vor Stolz geschwollen. „Papi, Papi hast du uns gesehen?“, ruft er quer über den Swimming-Pool. August ist tief beeindruckt. Lässig dreht er sich um und ruft zu mir: „Komm Abenteurer-Mami, lass uns frühstücken!“ Mein Herz hüpft, endlich bekomme ich auch ein paar Heldenpunkte.
Drachen fliegen lassen am Strand