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Sale

Heute ist es soweit: Sale im Deck, dem angesagtesten Restaurant in An Phu. Seit zehn Tagen reden ALLE über den Sale, ich kann es kaum erwarten. Alle zwei Tage habe ich Bargeld abgehoben, um gerüstet zu sein.

Die Wochenenden in An Phu bestehen im wesentlichen aus drei Dingen: (Kinder-)geburtstagsparties, Essen gehen und Sales. Es ist nämlich nicht so, dass sich hier Boutique an Boutique reiht und man problemlos schöne Dinge findet. Im Gegenteil, man muss sich durch Hunderte von kleinen Läden wühlen, die zu 98 Prozent Schrott handeln, bis man eine Sache gefunden, die einem gefällt UND passt. Das gilt vor allem für Damenschuhe, dort ist zu meinem Leidwesen bei Größe 39 meistens Schluss. Blusen sind ebenfalls problematisch, einen BH habe ich gar nicht erst versucht zu kaufen.

Einige patente Expatfrauen haben die Marktlücke erkannt und produzieren Kleider, Schmuck oder Keramik für den Expatmarkt – so wie meine Freundin Anna, die wirklich schöne Kinderkleidung macht (www.joaniecat.com). Da dieser Markt sehr klein ist, haben die meisten Frauen keinen Showroom, sondern verkaufen ihre Sachen auf Private Sales oder in Pop-Up Stores. Man muss also immer wissen, wo gerade ein Sale ist, um an die wirklich schönen Dinge zu kommen.

Kürzlich war ich bereits auf einem Private Sale: An einem schönen Donnerstagvormittag trafen sich rund 30 Expat-Ladies zu einem privaten Schmucksale (www.murkani.com.au). Ein Shooting für die Vougue ist dagegen eine blasse Veranstaltung. Auf der Veranda, neben dem Swimming Pool, waren auf weißgedeckten Tischen zwischen einem Meer aus Lilien und Hortenisen sehr geschmackvolle Ketten, Ohrringe und Armbänder aufdrapiert. Zu Prosecco wurden Cupcakes und Quiche gereicht. Mir ist ganz schwindelig geworden, so perfekt war alles. Die Damen, auch ich, haben wie verrückt Schmuck gekauft, denn wer weiß, wann man wieder etwas Schönes finden kann. Auch meine Freundin Anna macht regelmäßig Sales in ihrem Wohnzimmer – natürlich nur mit Prosecco.

Private Sale am Montagmorgen

Der Sale auf dem Deck ist die gleiche Veranstaltung hoch zehn. Ihr könnt Euch also vorstellen, dass ich bereits schlaflose Nächte hatte. Um punkt 9 Uhr bin ich da. Ich laufe in eine Bekannte, die zwei farbenfrohe Ketten trägt und mich nach meiner Meinung fragt. Grossartig, so meine ehrliche Antwort. Ich bekräftige sie, beide zu kaufen. Das war schrecklich dumm von mir: Als ich gleich darauf zum Stand gehe, sind diese Ketten ausverkauft! Das war um 9.10 Uhr. Ich tätige eine Reihe Panikkäufe, vom Neopren-Shirt bis zu zehn Windlichtern mit 30cm Durchmesser. Wie ich all dies nach Berlin bekommen soll, ist mir schleierhaft.

Mit dem Cyclo durch Chinatown

Sonntag in Saigon ist so eine Sache. Vielleicht habe ich es anderer Stelle bereits einmal erwähnt, aber es gibt ABSOLUT NICHTS zu tun oder anzusehen. So wie früher in Wolfsburg.

Immerhin habe ich drei „heiße“ Programmtips, die ich nun wohl dosiert in die Wochenendplanung einfließen lassen werde: Mr. Binh´s Cyclo (eine Art Rikscha) Tour durch China Town, eine Vespa Tour durch das „alte Saigon“ (scheidet für die Kinder aus) sowie der Besuch des Dam Sen Water Parks (bei dem Gedanken an die ganzen Keime im Wasser kribbelt es mir jetzt schon in den Ohren).

An diesem Sonntagmorgen steht die Cyclotour auf dem Programm. Um 9.30 Uhr treffen wir Mr Binh und seinen Freund. Die beiden betagten Herren müssen diese Tour schon seit 40 Jahren durch Saigon machen. Ich habe ein fürchterlich schlechtes Gewissen, dass bei dieser Hitze unsere gesamte Familie durch Chinatown treten sollen. Aber die beiden nehmen es lächelnd hin.

Wir verteilen uns auf zwei Rikschas: Caspar und Christian in der einen, August, Ninaus und ich in der anderen. In meiner Vorstellung hatte ich uns durch romantische Gassen, vorbei an chinesischen Kräuter- und bunten Lampionläden fahren sehen. Die Realität sieht leider so aus: Wir fahren bei sengender Hitze auf einer sechsspurigen Straße entlang, atmen Abgase ein, das alles bei ohrenbetäubenden Lärm. Ob wir in Chinatown sind? Ich kann keinen Unterschied zum Rest der Stadt erkennen. „Ganz schön vietnamesisch“, rufe ich Caspar zu. „Du meinst also schrottig“, sagt er trocken.

Christian hat unterdessen die Wahl, sich entweder das Gehirn zu verbrennen oder das Sonnendach herunterzuklappen, wobei er sich dann selbst wie ein Schweizer Taschenmesser zusammenfalten muss. Diese Rikschas sind einfach nicht für Europäer gedacht.

Irgendwann kommen wir dann doch in die kleinen Gassen: Ein Motorradshop reiht sich an den nächsten, der erste verkauft exklusiv Auspuffe, der zweite Außenspiegel, der nächste Sitze. August staunt. Dann kommen wir in die Drachenstraße. Hier werden das ganze Jahr Drachenkostüme und –masken für das chinesische Neujahrsfest verkauft. Wir kommen am Markt vorbei wo Pansen, Frösche und Krebse angeboten werden. Dann geht es in die Straße, in der Vögel und Hunde verkauft werden. Letzere hoffentlich nicht zum Essen, denn Hund ist ein durchaus gängiges Gericht. Vorbei an der Plastikblumenstraße geht es wieder zurück auf die Autobahn. Wir verabschieden uns von Mr. Binh.

Drachenmasken in Chinatown

Nächste Woche ist dann wohl der Wasserpark dran…

Für Rike

Liebste Rike, im vergangenen Sommer hatten wir uns öfter über unsere unfähigen madagassischen Au-Pair-Mädchen Fara und Florencia aufgeregt (zur Erinnerung für alle anderen: unser Kindermädchen musste unser Aupair zum Supermarkt begleiten, weil sie sich auf dem Weg – 300 Meter geradeaus, einmal links abbiegen – verlaufen hatte). Lass dir eines sagen, liebe Rike: Ich bin hier umzingelt von Faras und Florencias! Nun ist es sicherlich nicht so, dass die Menschen hier dümmer sind, keineswegs. Nur ist die Ausbildung hier nicht so gut. Was für uns selbstverständlich ist, ein Problem systematisch zu lösen, dabei zunächst die einfache Frage zu stellen: Was ist das Ziel?, ist hier eine hohe Kunst. Erschwerend kommt noch der kulturelle Unterschied hinzu, dass „der Asiate ansich“ niemals nein sagen würde, da er sonst sein Gesicht verlieren würde. Von Verständigungsschwierigkeiten ganz zu schweigen. Dies führt zu einer ganzen Reihe von nervraubenden Situationen, die ich hier nur kurz skizzieren möchte: – der Taxifahrer, der regelmäßig vor Villa Nr. 5 oder Villa Nr. 7 hält, aber nie vor unsere Villa Nr. 6 (selbst August fragt sich mittlerweile, was daran denn nicht zu verstehen sei) – der Taxifahrer, der bevor er rechts abbiegt, zunächst auf die linke Straßenseite (Gegenverkehr!) wechselt – der Zimmerservice, den ich geschlagene vier (!) Wochen jeden Freitagabend angerufen habe, mit der Bitte, nicht mehr Samstagmorgens um 9 Uhr bei uns zu saugen, sondern erst mittags. Vergebens! Erst als ich – schlaftrunken – völlig ausraste kommt meine Botschaft an. – ich kaufe beim Fleischer tiefgefrorenes Hühnchen ein, mit der Bitte, dies noch so lange im Eisfach liegen zu lassen, bis ich meine restlichen Besorgungen gemacht habe. Als ich wiederkomme ist das Fleisch halb aufgetaut. Ich versuche der Verkäuferin zu erklären, dass ich genau DAS nicht wollte. „Kein Problem“, sagt sie, schmeißt das aufgetaute Hähnchen wieder in die Kühlbox und gibt mir ein Neues… – Frau Tram, die drei Hemden bügelt (in ca. 40 Minuten), dann eine Knoblauchzehe hackt, drei Stofftiere zur Seite räumt und wieder weiter bügelt….mitunter dauert es eine Woche, bis unsere ganze Wäsche gebügelt ist – aber nichts gegen Frau Tram, die Wäsche wäre sonst nie gebügelt – Ich will unsere Mietschulden begleichen, in der Annahme, ein Computer sei im Bilde über die bereits geleisteten Zahlungen. Weit gefehlt. Die beiden Angestellten holen ein dickes Buch heraus, wälzen Seite für Seite, können aber keine Zahlung finden – was mich auch nicht weiter wundert, ich habe ja noch nichts gezahlt!! Wie viel ich noch genau schuldig bin, ist auf die Schnelle auch nicht herauszufinden. – In Hoi An will ich ein Restaurant, das in einer Art Fußgängerzone liegt. Es wäre naheliegend, dass der Taxifahrer mich an dem nächsten Punkt herauslässt, der mit dem Taxi noch zu erreichen ist. Weit gefehlt: Er will mich einfach irgendwo herausschmeißen! Ich deute auf den Stadtplan, er solle noch fünf Straßenecken weiter fahren. Wild fuchtelt er auf dem Plan herum und zeigt mir wie ich die ganze Stadt zu Fuß umkreisen kann, um zu meinem Ziel zu gelangen… Problematisch daran ist, dass ich ein wahnsinnig ungeduldiger Mensch bin, mir sofort die Gesichtszüge entgleiten, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe, was nicht wirklich zu Deeskalation beiträgt. Zum Glück bin ich noch nicht in Genuss gekommen, hier einen größeren Haushalt zu führen, ich würde sicherlich einen Krieg anzetteln. Meine Freundinnen können ein Lied davon singen, was alles schief gehen kann. Meine Freundin Sabine war ganze erstaunt, dass man längliche Kacheln auch senkrecht verlegen kann als sie ihr neues Bad betrat. Auch war jede Wand anders gestrichen, allerdings keine einzige so, wie besprochen.

Angekommen Teil 2

Mittlerweile sind wir fast drei Monate hier. Christian arbeitet immer noch viel, die Kinder und ich dagegen fühlen uns sehr wohl. Meinen Kulturschock habe ich überwunden. Gestern war ich im Saigon Square shoppen. Dort war ich zum ersten Mal Ende März und fand es nur schrecklich. Gestern hatte ich großen Spaß, in dem Gewühl die richtigen Dinge zum richtigen Preis zu finden. Eine große Schatzsuche. Den Kindern habe ich zwischenzeitlich Spielzeug organisiert und unsere Wohnung versuche ich auch wohnlicher zu machen. Allerdings trage ich jetzt auch Blümchenblusen…..

Streit am Morgen

8 Uhr, jetzt hätten wir eigentlich in der Kita sein müssen. Stattdessen toben Caspar und August durch die Wohnung, Caspar sperrt sich in seinem Zimmer ein. Ich werde wütend. Caspar heult, er will nicht in die Kita. „Zuerst sagst du, nur ausprobieren, und jetzt müssen wir jeden Tag dorthin, während du schöne Dinge machst, wahrscheinlich liegst du noch am Pool!“ Wo er einen Punkt hat, mein Programm heute: Cafe, Nägel lackieren, Facial und dann Pilates. Gut im Café arbeite ich immerhin – ein bisschen.

Mein Zufluchtsort: Mekong Merchant

Einkaufsbummel in Phnom Penh

Heute morgen bin ich mit einem fürchterlichen Kater auf gewacht. Ich will NIE WIEDER shoppen. NIE WIEDER!!! Ich schwöre.

Shoppen ist in An Phu großer Sport: Wir Ex-Pat-Frauen haben nicht so fürchterlich viel zu tun, außer uns selbst, unsere Kinder und Männer einzukleiden und das Haus zu dekorieren. Die meisten Sachen sind zudem so günstig, dass man nicht lange überlegen muss, ob man es sich leisten kann oder nicht. Unter den Ex-Pat-Frauen herrscht daher ein regelrechter Wettbewerb, wer, wo die ausgefallensten Sachen gefunden hat. Die Frage, wie man die Krempel von Bali, Shenhzen oder Singapur wieder nach HCMC bekommt, spielt dabei eine nicht unerhebliche Rolle.

Meine Freundin Anna lebt seit 10 Jahren in Asien und ist meine erklärte Shopping-Queen. Sie kennt alle Tricks. Gestern bin ich mit ihr und Braden, einer New Yorker Journalistin, nach Phnom Penh gefahren – zum Shoppen. Zum Power-Shoppen, wie sich herausstellte. Morgens um 6 Uhr treffen wir uns am An Phu Supermarkt, Mr. Chau (Annas Fahrer) bringt uns an die Grenze. Gemeinsam mit 500 vietnamesischen Touristen drängen wir uns zu Fuß über durch den Zoll. In Bavet, auf der kambodschanischen Seite wartet lächelnd unser kambodschanischer Fahrer auf uns, der uns nach Phnom Penh bringen soll. Wir setzen mit der Fähre über, als Snack werden dort gegrillte Käfer mit Chilli gereicht. Ich lehne dankend ab. Die Fahrt geht weiter, vor mir werden tote Schweine auf Motorrädern transportiert. Sonst ist hier absolut nichts los.

Morgens um halb acht an der vietnamesisch-kombodschanischen Grenze
Die Autobahn nach Phnom Penh

Gegen Mittag erreichen wir Phnom Penh, die Straßen sind dort zwar mittlerweile asphaltiert, doch ich sehe in der ganzen Stadt nur eine Ampel. Es fahren mehr Tuk Tuks und Fahrräder auf den Straßen als Autos. Fünf Hochhäuser entdecke ich, sonst nur zwei- oder dreistöckige Häuser. Hier ist das Ende der Welt. Wir treffen Claire. Sie ist der eigentliche Grund unserer Reise. Claire lebt in KL (Kuala Lumpur), wo man übrigens auch hervorragend shoppen kann. Claire verdient ihren Lebensunterhalt damit, Clutches aus Kimono Seide in Kambodscha zu produzieren und die an wohlhabende Expats zu verticken. Mittlerweile tragen auch die ersten Fashionistas ihre Clutches, so auch BBC-Ankorwomen Michelle Hussein. Anna will die Clutches nun in HCMC vertreiben, daher die Reise nach PP.

Verkehrschaos in Phnom Penh

Claire wartet in Hotel Nr. 9 in der Street Nr. 9 auf uns. Auf dem Bett des kleinen Zimmers ohne Tageslicht liegen etwa 100 Handtaschen, 200 weitere sind auf dem Boden verteilt. Anna und Braden stürzen sich auf die Clutches. In Windeseile hat Anna die 200 schönsten für ihren Sale gebunkert, Braden hat neun Taschen für ihre gesamte Verwandschaft in New York gekauft, ich bin zu langsam und stehe bedröppelt daneben. Als Anna vor ein paar Tagen erzählte, sie müsse ein paar Taschen in PP abholen, hatte ich ein anderes Bild vor Augen. Schließlich finde aber auch ich das ein oder andere Täschle.

Clutches aus Kimono Seide

Wir müssen weiter, Street 214. Zielsicher steuert Anna auf die schickste Boutique zu. Ein Albtraum für mich: Hier gibt es wirklich die allerschönsten Patchworkdecken und –kissen für wenig Geld, nur werde ich diese nie nach Deutschland bekommen. Ich könnte heulen!! Um mich zu trösten, nehme ich noch schnell ein Kleidchen und eine Kette mit (Anna hat übrigens in der Zwischenzeit mit sicherem Griff den schicksten Hosenanzug abgegriffen). Nun haben wir noch 20 Minuten für den Russian Market. Während ich zu völlig überteuerten Preisen kambodschanische Seide kaufe, hat Anna für wenig Geld wunderschöne Tiermasken zum Schnäppchenpreis für das Kinderzimmer gekauft. Ich breche zusammen, die Auswahl ist einfach zu überweltigend, die Zeit zu knapp und außerdem habe ich ohnehin schon viel zu viel Geld ausgegeben….

Der Russian Market

Wieder im Tuk Tuk geben mir Braden und Anna noch wertvolle Tipps, wo ich am besten Table Ware bekomme (Luang Prabang) und Tiermasken (Chinatown HCMC) schreckt Anna auf: „Shit! The border closes at 8 pm!“. Das war um 16.50 Uhr, wir brauchen drei Stunden zur Grenze. In Windeseile raffen wir unseren Krempel zusammen, verstauen ihn im Kofferraum, das dieser kaum noch zu geht, und brausen los. Ich sehe uns schon die Nacht in Bavet verbringen, wo außer drei Kasinos und einigen schlechten Hotels absolut nichts gibt… Um 19.52 Uhr setzt uns der Fahrer in Bavet aus, wir laufen rennen, besser gesagt, wir wanken und stolpern im Dunklen Richtung Vietnam, los, jeder mit drei übergroßen Reisetaschen unter dem Arm. So muss es auf der Flucht gewesen sein. Rund 300 Clutches schmuggeln wir nach Vietnam, aber die Grenzbeamten interessiert das nicht. Um 19.58 Uhr erreichen wir den Grenzposten. Mr. Chau wartet schon auf der anderen Seite auf uns. Völlig erschöpft falle ich auf den Autositz. Mir ist ganz schwindelig. Ich will NIE WIEDER shoppen müssen…

In letzter Sekunde über die Grenze

Am nächsten Morgen öffne ich meine Mailbox: Noch auf der Fahrt nach HCMC hat mir Anna eine Einladung zu einem Home Decor Sale weitergeleitet – by Appointment only! Ich melde mich an, gucken kann ich ja nichts schaden…

Mein Leben auf zwei Quadratkilometern

Mein Leben findet auf 2 Quadratkilometern statt. Das ist insofern bemerkenswert, als dass ich auf meinen Dienstreise in diverse asiatische Städte täglich mehrere Stunden im Taxi verbracht habe, meist im Stau stehend, um von einem Stadtteil in den nächsten zu kommen.

Auf dem Weg in die Kita

Nicht so in Ho Chi Minh, oder vielmehr in An Phu, wo wir leben. Gut morgens stehen wir tatsächlich ein paar Minuten im Stau, auf dem Weg in den Kindergarten. Neben unserem Riverside ist eine weitere internationale Schule, und da die meisten Kinder mit dem Fahrer vorgefahren werden, stehen wir zunächst auf der Stelle.

Erster Stopp: German International School

Nachdem ich meine Jungs in der Kita abgeworfen habe, schlendere ich 800 Metern zu meinem Lieblingscafe, dem Mekong Merchant. Auf diesen 800 Metern liegt alles, was wir zum täglichen Leben brauchen: Zunächst komme ich vorbei am Annam Gourmet Market, einem kleinen Delikatesslädchen, wo es alles gibt, was das Expatherz begehrt: Käse, Wein, Schinken – zu europäischen Preise versteht sich. Es geht vorbei an der Bäckeri Voelkl, der vietnamesischen Bäckerei, wo es herrliche Croissants und gigantische Geburtstagstorten gibt. Dann kommt Little An Nehm („Kleine Schwester“), der Kleiderausstatter meiner Kinder: Djalabas, T-Shirts, Hosen, (fast) alles kommt von dort.

Rechts abbiegen zum Mekong Merchant
Dann kommt der Annan Gourmet Shop

 Den An Phu Supermarkt lasse ich wortwörtlich links liegen. Während ich in den ersten Wochen noch selbst eingekauft habe, überlasse ich dies nun Frau Tram – ich war es irgendwann leid, dass nie das gab, was ich brauchte. Und spätestens seit dem Tag, als die Gefriertruhe kaputt war, die Tiefkühlware im Milchfach gestappelt war und mir tagsdarauf, als ich Creme Fraiche gekauft habe, diese mit den Worten übergeben wurde: „Heben Sie den Kassenzettel auf. Falls die Creme Fraiche schlecht ist, können Sie sie umtauschen“, ist mein Vertrauen geschwunden.

Und der An Phu Supermarket

Den Citibank-Automaten, gleich neben dem Supermarkt, würde ich auch gerne links liegen lassen, allein schon wegen der unverschämten Gebühren; geht aber nicht, da man hier die allermeisten Dinge bar bezahlen muss. Leider kommt es nur zu oft vor, dass die Scheine alle sind, und ich unverrichteter Dinge von dannen ziehen muss. Und so stoppe ich täglich am Geldautomaten, in der Hoffnung, etwas Kohle zu bekommen. Fühlt sich ein bisschen so an, wie kurz vor einem Bank Run.

Montags gibt es kein Geld

Auf der rechten Seite kommt dann mein Schneider, T&T Schneider. Mr. T (oder seine Frau) betreiben morgens vor ihrer Werkstätte ein kleines Straßenrestaurant. Mr. T und seine Frau grillen Schweinekotletts, ein Ventilator bläst den Qualm direkt in die Werkstatt, was erklärt, warum meine geschneiderten Klamotten nach kaltem Rauch stinken.

Morgens ist meine Schneiderei ein Restaurant 

Es geht weiter vorbei an dem Blumenladen, wo mich die Besitzerin freundlich grüßt (ich habe noch nicht herausgefunden, ob sie mich tatsächlich kennt, oder nur jede „Madame“ grüßt) und fragt, ob ich heute Blumen brauche. Meistens kaufe ich weiße Lilien, 5 Stück für 3,70 Euro, in der Stadt kosten sie vermutlich nur die Hälfte.

„Hello Madame“
Mekong Merchant – mein zweites Zuhause

Mein Frühstück: Eggs Benedict


Nach 600 Metern bin ich dann im Mekong Merchant, wo mir nacheinander zwei Cafe Latte sowie Eiswasser hingestellt wird, ohne dass ich noch danach fragen muss. Wenn ich meine Zeitungen gelesen, Emails beantwortet und die ein oder andere Geschichte aufgeschrieben habe gehe ich zum Pilates, einmal rechts abbiegen, dann 200 Metern bin ich bei David, meinem schwedischen Pilateslehrer. Das klingt vielleicht spannender als er ist. David ist ein netter Kerl, ein sehr guter Pilateslehrer, und ist ansonsten ein recht trockener Typ. Wahlweise soll ich mir während den Übungen vorstelle, dass ich einen Kühlschrank oder eine Mikrowelle zwischen meinen Beinen halte oder mit meinen Unterschenkeln eine Kokusnuss zerquetsche. Neulich sollte ich mir vorstellen, dass ich mitmeinem Rücken einen 1000-Dollarschein aufhebe. Das hat mich völlig aus dem Konzept gebracht, am liebsten hätte ich ihn angeschrien: „Es gibt keinen 1000-Dollarschein!!“ Sei´s drum, die ersten Erfolge sind jedenfalls sichtbar.

Wenig glamourös: Mein Pilatesstudio


Dann ist es auch schon wieder Zeit, die Kinder abzuholen (an manchen Tage schiebe ich noch einen kleinen Einkaufsbummerl zwischen Cafe und Pilates), nicht jedoch ohne vorher im „Hue Corner“ Frühlingsrollen mit Nudeln gegessen zu haben. Es geht wieder zurück ins Riverside, wo wir den Rest des Nachmittags schwimmen, Radfahren oder Tennis spielen. Abends laufen die Kinder zum Taxiboot, um Christian abzuholen, wir essen zu Abend, sehen vielleicht noch eine Folge „Breaking Bad“ zusammen. Und morgen geht es genauso weiter.

Nachmittags im Riverside: Fußball oder…

 Tennis…

oder Dreirad….
oder Picknick.

Und manchmal ein Ausflug mit dem Motorboot

Kindergeburtstag in der Spielhölle

Heute Nachmittag war ich in der Hölle. Wir waren wieder einmal zum Kindergeburtstag eingeladen, die Jungs und ich. Nun würden die meisten vermutlich unterschreiben, drei (vietnamesische) Kindergeburtstage in einer Woche sind an sich die Hölle – diese Party fand aber zudem in einer Spielhölle für Kinder statt.

Spielhölle für die Kleine

Auf mehreren Hundertquadratmetern befinden sich im zweiten Kellergeschoss (!) des Vincomcenters die World Games (meine Freundin Ulrika hatte am Telefon immer „War Games“ verstanden, was den Kern besser trifft). Es gibt alles, was das Kinderherz begehrt: Eine vergoldete Cinderellakutsche, einen fliegenden Teppich, auf beiden kann man reiten, ein Flugzeugkarussell, eine Eisenbahn, Computerspiele, bei denen man Pinguine mit Wasserpistolen abschießen oder Frösche mit einem Hammer erschlagen kann, nur um ein paar Highlights zu erwähnen. Das ganze findet bei einem unerträglichen Lärmpegel statt. Außerdem blinkt und blitzt es aus allen Ecken, und dass meine Augen brennen, liegt sicherlich nicht an meiner Bindehautentzündung.

Die Jungs am Abzug

Lucas 3. (!) Geburtstag findet in der Kleinkinderzone statt: Dort gibt es lediglich ein paar Trampoline, Rennautos, ein Klettergerüst und ein einige Computerspiele. Ein lebensgroßer Winnie Pooh läuft herum und jagt den Kindern einen Schrecken ein. Leider habe ich meinen Akku schon leer geschossen bevor die Party erst richtig losgeht: Vor einem Billboard, auf dem der kleine Luca einen roten Lightening McQueen fährt, mit der Aufschrift „Happy Birthday, Luca!“, versammeln sich ca. 30 Kinder und 20 Erwachsene.

Luca fährt McQueen

Lucas Eltern schmettern „Happy Birthday, Feliz Cumpleano und Zum Geburtstag viel Glück!“ (Lucas Vater ist deutscher, seine Mutter Mexikanerin) ins Microfon, wir singen lautstark mit. Kellner servieren Geburtstagstorte, Pommes und Chicken McNuggets für alle, aus einer Pinata (eine Pappmachetrommel, die mit einem Stock zerschlagen werden muss) fallen mehr Süßigkeiten und Spielzeugautos heraus als ich mir vorstellen konnte. Meine unverschämten Kinder stopfen sich die Taschen ihrer Schuluniformen voll, auf dem Weg zum Taxiboot ruft Caspar verzweifelt: „Meine Hoste rutscht!“ Erschöpft, glücklich, mit Lollies und Schokolade vollgeschmiert fallen wir ins Boot!

Mein heimlicher Geburtstagsfavorit war allerdings die Prinzessinnen-Party, auf der wir am Samstag waren. Die Stimmung war nicht ganz so ausgelassen, was auch daran lag, dass wir bei 40 Grad unter einen Plastikplane versammelt waren, wo es gefühlt noch einmal 20 Grad heißer war.

Nicht zu erkennen: Alle sind schweißgebadet

Und dann wird mein heimlicher Traum in Pink war: Für Amelies 5. Geburtstag ist alles in rosa dekoriert, die Mädchen bekommen kleine Kronen und können sich von einer Truppe philippinischer Entertainer die Nägel lackieren lassen, sich als Prinzessin oder Fee schminken lassen und auf einem Pony durchs Riverside reiten (was ich im Übrigen ziemlich großartig von meiner tschechischen Freundin Zdenka finde, einfach mal ein Pony für einen Kindergeburtstag ins Riverside einreiten zu lassen). Ich finde es einfach herrlich und erwäge, zu meinem 40. Geburtstag ebenfalls eine Prinzessinenparty zu machen!

Traum in Pink: Fünf philippinische Entertainer machen ihn war

Die Jungs sind unterdessen etwas irritiert: „Gibt es hier auch Becher für Jungs“, fragt Caspar und hält mir vorwurfsvoll einen rosaroten Schneewittchen Becher entgegen. Als es später jedoch Cars-Give-Away-Tütchen gibt, sind die Jungs wieder versöhnt.

Unser jüngster reitet durch das Riverside

Dagegen war Augusts 5. Geburtstag eine ziemlich müde Veranstaltung. August hatte sich geweigert, seinen Geburtstag auf die vietnamesische Art zu feiern, sprich die ganze Klasse samt Familien einzuladen (seine Unbestechlichkeit beeindruckt mich). Lediglich einen Balloon Twister wünscht er sich, mit den Worten „Das macht man hier ja so!“. Eingeladen sin sein Freund Adrien und Carolin, ich schmuggele heimlich noch ein paar Freundinnen ein, damit ich nicht ganz allein im Snap-Cafe sitze. Ein etwas abgehalfterter Balloontwister, namens Mr. Binh, führt müde seine Ballontricks vor. Die Kinder stört das aber nicht: Mr. Binh hat ca. 300 Baloons im Gepäck, die nun auf die fünf Kinder verteilt werden müssen. Innerhalb weniger Minuten versinken wir in einem Meer aus getwisteten Hubschraubern, Flugzeugen und Maschinengewehren. 
Mr. Binh führt seine Kunsstücke vor

Vor mir wird ein mittelgroßes Buffet aufgebaut, obwohl ich nur einen „Nibbles Plater – serves 4“ bestellt hatte. Die Geburtstagstorte aus Eiscreme passt kaum noch auf den Tisch.

Nur ein paar Kleinigkeiten für die Gäste…
August wird diesen Tag unterdessen als den Geburtstag mit den „geilsten“ Geschenken erinnern. Da „echtes“ Spielzeug hier wahnsinnig teuer ist und wir ohnehin nicht wissen, wie wir unser ganzes Zeug wieder nach Deutschland bringen, beschränken wir uns auf allerhand Schrottspielzeug Made in Vietnam: Ein Transformer, der sich in einen Roboter und vier Autos umbauen lässt, ein Lego-Ninja, ein Finn McMissle, der hupt und blinkt, einen ferngesteuerten Hubschrauber von der Kita. Absolutes Highlicht ist ein ferngesteuertes Auto, dessen Reifen rot und blau blinken. Mit diesen spielen die Kinder noch glücklich im Snap Cafe bis es dunkel wird.
Am nächsten Morgen ist die Hälfte der Geschenke Made in Vietnam schon kaputt: Nikolaus hat die Fernbedinung im Taxi liegen lassen, Finn McMissle ist auseinander gefallen, nur noch die Autoplattform fährt blinkend und hupend vor sich hin. Macht nichts, August war glücklich für einen Tag.
Glücklich und tapfer: Das Geburtstagskind 

Performance Day

Heute ist der große Tag: Heute ist die GIS-Jahresabschlussfeier. Seit Wochen trällern die Kinder „I love you, you love me, we are a happy family“ und „Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ vor sich hin. Heute haben sie ihren großen Auftritt in der Saigoner Oper, der „renommiertesten Oper“ in Saigon, wie Schuldirektorin Prof. Lam mehrmals betont (meines Wissens, ist es auch die einzige Oper in Saigon und jeder Ballettschulenaufführung findet hier statt).

Seit Wochen haben wir für den großen Tag geprobt….

Vor der Oper sind große GIS-Tafeln aufgestellt, Augusts Freund Adrien lächelt von einem überlebensgroßen Plakat herab. Es ist eine einzige Marketingveranstaltung der GIS, die auf dem heiß umkämpften Markt für Privatschulen um neue Schüler buhlt. Die Kinder sind dennoch – oder gerade deswegen – beeindruckt und stolz. Zuerst singen die Kinder die Schulhymne, die sie schon seit Wochen einstudiert haben: „….the one and only glorious GIS“, endet der Refrain. Dann haben die Kinder ihren großen Auftritt, in ihren Uniformen stehen sie auf der Bühne in Reih und Glied. Als „Auf einem Baum ein Kuckuck“ gesungen wird, stürmt Nikolaus ungefragt ans Mikrofon. Dies hatte Miss Jo schon vorher wohlweislich abgedreht, da Nikolaus bereits die Generalprobe untergraben hatte, in dem er laut und fröhlich ins Mikro geträllert hatte.

…nun ist es soweit: „the one and only glorious GIS“

August und Nikolaus dürfen die Bühne verlassen, Caspars Vorschulklasse führt noch den „Tic-Tic-Tac-Tanz“ vor. Dieser hatte Caspar im Vorfeld bereits Kopfzerbrechen bereitet, da Miss Joyce mit der Performance bei der Generalprobe nicht sehr zufrieden war. „Die Evy kann das einfach nicht. Die macht immer irgendetwas“, sagt er und zieht sein Gesicht schmerzverzehrt zusammen. Ich hingegen mit schwer beeindruckt von Caspars Rhythmusgefühl und seinem Hüftschwung, der mit jedem Latino mithalten kann – von mir kann er das nicht haben.

Schließlich bekommen die Kinder ihre Urkunden, dass sie erfolgreich am Kindergarten/an der Vorschule teilgenommen haben. Die Jungs sind wahnsinnig stolz, selbst unser zurückhaltender August findet die GIS jetzt gut. Wir machen Passfotos für unsere bevorstehenden Reisen und gehen auf dem Bitexco Tower mit Eva und Ulrika Mittageessen. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, kein Vergleich zu dem Trübsal bei unserem ersten Besuch vor drei Monaten.