Für Rike

Liebste Rike, im vergangenen Sommer hatten wir uns öfter über unsere unfähigen madagassischen Au-Pair-Mädchen Fara und Florencia aufgeregt (zur Erinnerung für alle anderen: unser Kindermädchen musste unser Aupair zum Supermarkt begleiten, weil sie sich auf dem Weg – 300 Meter geradeaus, einmal links abbiegen – verlaufen hatte). Lass dir eines sagen, liebe Rike: Ich bin hier umzingelt von Faras und Florencias! Nun ist es sicherlich nicht so, dass die Menschen hier dümmer sind, keineswegs. Nur ist die Ausbildung hier nicht so gut. Was für uns selbstverständlich ist, ein Problem systematisch zu lösen, dabei zunächst die einfache Frage zu stellen: Was ist das Ziel?, ist hier eine hohe Kunst. Erschwerend kommt noch der kulturelle Unterschied hinzu, dass „der Asiate ansich“ niemals nein sagen würde, da er sonst sein Gesicht verlieren würde. Von Verständigungsschwierigkeiten ganz zu schweigen. Dies führt zu einer ganzen Reihe von nervraubenden Situationen, die ich hier nur kurz skizzieren möchte: – der Taxifahrer, der regelmäßig vor Villa Nr. 5 oder Villa Nr. 7 hält, aber nie vor unsere Villa Nr. 6 (selbst August fragt sich mittlerweile, was daran denn nicht zu verstehen sei) – der Taxifahrer, der bevor er rechts abbiegt, zunächst auf die linke Straßenseite (Gegenverkehr!) wechselt – der Zimmerservice, den ich geschlagene vier (!) Wochen jeden Freitagabend angerufen habe, mit der Bitte, nicht mehr Samstagmorgens um 9 Uhr bei uns zu saugen, sondern erst mittags. Vergebens! Erst als ich – schlaftrunken – völlig ausraste kommt meine Botschaft an. – ich kaufe beim Fleischer tiefgefrorenes Hühnchen ein, mit der Bitte, dies noch so lange im Eisfach liegen zu lassen, bis ich meine restlichen Besorgungen gemacht habe. Als ich wiederkomme ist das Fleisch halb aufgetaut. Ich versuche der Verkäuferin zu erklären, dass ich genau DAS nicht wollte. „Kein Problem“, sagt sie, schmeißt das aufgetaute Hähnchen wieder in die Kühlbox und gibt mir ein Neues… – Frau Tram, die drei Hemden bügelt (in ca. 40 Minuten), dann eine Knoblauchzehe hackt, drei Stofftiere zur Seite räumt und wieder weiter bügelt….mitunter dauert es eine Woche, bis unsere ganze Wäsche gebügelt ist – aber nichts gegen Frau Tram, die Wäsche wäre sonst nie gebügelt – Ich will unsere Mietschulden begleichen, in der Annahme, ein Computer sei im Bilde über die bereits geleisteten Zahlungen. Weit gefehlt. Die beiden Angestellten holen ein dickes Buch heraus, wälzen Seite für Seite, können aber keine Zahlung finden – was mich auch nicht weiter wundert, ich habe ja noch nichts gezahlt!! Wie viel ich noch genau schuldig bin, ist auf die Schnelle auch nicht herauszufinden. – In Hoi An will ich ein Restaurant, das in einer Art Fußgängerzone liegt. Es wäre naheliegend, dass der Taxifahrer mich an dem nächsten Punkt herauslässt, der mit dem Taxi noch zu erreichen ist. Weit gefehlt: Er will mich einfach irgendwo herausschmeißen! Ich deute auf den Stadtplan, er solle noch fünf Straßenecken weiter fahren. Wild fuchtelt er auf dem Plan herum und zeigt mir wie ich die ganze Stadt zu Fuß umkreisen kann, um zu meinem Ziel zu gelangen… Problematisch daran ist, dass ich ein wahnsinnig ungeduldiger Mensch bin, mir sofort die Gesichtszüge entgleiten, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe, was nicht wirklich zu Deeskalation beiträgt. Zum Glück bin ich noch nicht in Genuss gekommen, hier einen größeren Haushalt zu führen, ich würde sicherlich einen Krieg anzetteln. Meine Freundinnen können ein Lied davon singen, was alles schief gehen kann. Meine Freundin Sabine war ganze erstaunt, dass man längliche Kacheln auch senkrecht verlegen kann als sie ihr neues Bad betrat. Auch war jede Wand anders gestrichen, allerdings keine einzige so, wie besprochen.