Ostern unter Russen

Ostern naht. Das ist zwar kein traditionelles vietnamesisches Fest, aber in An Phu wird es dennoch groß gefeiert. Überall gibt es Lindt-Schokoeier zu kaufen. Ich habe überredet, sich Ostermontag freizunehmen sowie den Dienstag, Christians Geburtstag. Wir wollen ans Meer fahren.

Ostern im Riverside: Schokoladeneier und Kinder schmelzen dahin

Wir sind natürlich viel zu spät dran und mittlerweile habe ich auch begriffen, dass hier immer Peak Season ist. Entweder feiern die Vietnamesen (und die feiern ständig: Wiedervereinigung, Ho Chi Minhs Todestag, das Mondjahr….) oder die Ex-Pats, so ist eigentlich jedes Wochenende ausgebucht. Erschwerend kommt hinzu, dass wir sehr luxuriös wohnen und es gar nicht so einfach ist, den Standard noch zu übertreffen. Christian ist zu keiner Aussage zu bewegen, wie er Ostern und seinen Geburtstag verbringen will. „Vielleicht im Backpacker?“, murmelt er. Da das Mui Ne Backpacker einen ausgezeichneten Ruf hat, buche ich uns dort ein, allerdings erst am Sonntag, damit Christian nach seiner 70 Stunden Woche am Samstag erst einmal ausspannen kann.

Nachdem mein geliebter Mann ausgeschlafen hat, fällt ihm schlagartig auf, dass er ja in diesem Jahr am 2. April Geburtstag hat. Und dass er diesen Tag am liebsten im Fünf-Sterne-Hotel verbringen will. Und überhaupt will er SOFORT los. Zum Glück hatte ich bei unserem örtlichen Reiseberater, Mr. Hai, schon sämtliche Übernachtungsoptionen (die sind für eine fünfköpfige Familie nämlich recht eingeschränkt) abfragen lassen und lege diese Christian als Entscheidungsgrundlage vor. Wenig später sitzt die gesamte Familie in einem Reisebus, ein kleinerer Wagen war so kurzfristig nicht zu haben. Nikolaus ist sichtlich beeindruckt – noch besser als Taxi fahren.

Wir stehen zwei Stunden im Stau, denn zu diesem Zeitpunkt ist halb HCMC auf dem Weg zum Meer. Schließlich kommen wir bei Dunkelheit in Mui Ne an. Christian und ich waren vor zwölf Jahren schon einmal in Mui Ne. Damals gab es ein paar Bambushütten am Strand, einige Plastikstuhl-Restaurants und ein paar ein Surfer. Als wir am Samstagabend in Mui Ne ankommen säumt sich Ressort an Ressort und Shop an Shop, kyrillische Schriftzeichen blinken uns in Neonfarben entgegen, dass wir unsere Sonnenbrillen herausholen müssen, so sehr werden wir geblendet. „Das ist ja beängstigend“, stöhnt Christian. Inmitten von Little Odessa hält unser Fahrer, hier ist unser Hotel. Wir essen im Bistro völlig überteuerte Spaghetti und Frühlingsrollen, die uns die muffige Chefin im grauen Mao-Hosenanzug serviert. Um uns herum sitzen fettleibige Russen mit Goldkettchen.

Russischer Charme in Mui Ne

Abends lese im Lonely Plant: „Zwischen Kilometer 11 und 14 sorgen kyrillische Schriftzeichen für russischen Flair.“ Unser Hotel liegt bei Kilometer 12,6. Die Jungs gehen schlafen, ich mache mich auf Weg, eine neue Unterkunft zu suchen. Allerdings ist das nicht so einfach. Der ganze Ort ist fürchterlich. Ein scheußliches Ressort nach dem nächsten, die Läden sind voll gestopft mit Klamotten, die man nicht einmal geschenkt haben will. Mir rollen dicke, unansehnliche Menschen entgegen und ich frage mich, wo die ganzen hippen Kite-Surfer sind?!? Auf jeden Fall sind sie die verschwindende Minderheit. Das Backpacker liegt am betonierten Strandabschnitt von Mui Ne – immerhin das ist uns erspart geblieben.

Am nächsten Morgen sieht die Welt jedoch ganz anders aus: Unser Hotel liegt am schönsten Strandabschnitt, der Wind weht uns um die Nase, am Himmel schweben die Drachen der Kite-Surfer. Wir haben einen wunderschönen Swimmingpool, in dem Caspar noch schwimmen lernen wird. Nur was unsere Mitbewohner anbetrifft, müssen wir uns in Toleranz üben. Um uns herum wird nur russisch gesprochen. „Es gibt wirklich kein Volk, dass so unästhetisch ist, wie die Russen“, sagt Christian, der ja sonst recht tolerant ist. Ich muss ihm leider recht geben. Um uns herum sind die meisten Menschen schwer übergewichtig. Das hält die Frauen aber keineswegs davon ab, sich in einen Bikini zu zwängen und in den Pool zu platschen, dass ein mittlerer Tsunami durch das Becken schwappt. Im Abendlicht posieren die Paare (größtenteils Mitte 50) vor den Wellen, die Frauen wippen ihre wassermelonengroßen Brüste stolz in den Händen, die Männer strecken ihren behaarten Bierbauch in die untergehende Sonne. Wir sehen fassungslos zu.

Blick von meiner Sonnenliege – unsere russischen Freunde ganz links im Bild

Wir gewöhnen uns an den Anblick und verbringen vier herrliche Tage am Meer. Die Luft ist erfrischend, stundenlang sehen wir den Kite-Surfern zu und lassen unsere Gedanken schweifen. Das Mia Resort, das leider schon ausgebucht war, ist nur drei Häuser entfernt, dorthin flüchten wir öfter und genießen Cocktails an der Strandbar. Hier feiern wir auch Christians 38. Geburtstag, zu dem es allerdings nur ein maßgeschneidertes Hemd, Flip Flops und Knetbilder von den Kindern gibt. Während uns morgens um 9 Uhr bereits ein Schweißfilm überzieht, erreicht uns ein Bild mit einem selbstgebauten Schneehasen von Nina aus der Schweiz. Schnee – das war gestern.

Geburtstag mit Kaffee. aber ohne Blumen

Kurz vor unserer Abreise zeigt sich Vietnam dann noch von seiner besten sozialistischen Seite. Man muss wissen, dass ein großer Teil der Tourismusindustrie in staatlicher Hand ist. So auch unser Hotel. Irgendein Funktionär hat sich beispielsweise ausgedacht, dass indirekte Beleuchtung ganz toll ist und so befinden sich in unserem 24m2 Bungalow 38 indirekte Deckenstrahler – nur kein Licht, um abends ein Buch zu lesen. Wir wollen einen Late Check-Out und machen den Fehler direkt bei der Rezeption nachzufragen, nicht bei Mr. Hai in Saigon. Für drei Stunden sollen wir denselben Preis bezahlen wie für einen ganzen Tag! Wir verhandeln hart. Schließlich dürfen wir für denselben Preis fünf Stunden bleiben. Christian, den sonst so ziemlich nichts aus der Ruhe bringt, platzt der Kragen und will den Manager sprechen. Der überforderte Angestellte redet auf mich im schlechtesten Englisch ein: „It´s your husbands birthday today“, sagt er mit asiatischem Lächeln. „When do you want to eat the cake? It´s a present!“

Für teures Geld können wir noch fünf Stunden länger bleiben und Sahnetorte essen.