Zehn Dinge, die ich in Vietnam liebe

Zehn Dinge, die ich an Vietnam liebe: 

  1. Meinen morgentlichen Latte Macchiato im Mekong Market 
  2. Jeden Tag Sommerkleider tragen 
  3. Der Stoffmarkt auf der Hai Ba Trung und mein Schneider, der mir für 8 Euro ein Kleid schneidert
  4. (Beinahe) täglich zum Pilates zu gehen
  5. Sonntag in Saigon – mit der Familie Fußball und Tennis spielen
  6. Private Tennisstunden für 10 Euro Ms Tram
  7. Die Wäsche landet wie von Zauberhand gewaschen und gebügelt im Schrank, das Gemüse ist gewaschen und geschnitten zum Kochen bereit, die Mangos sind in Häppchen geschnitten 
  8. Yoga im Deck mit Blick auf den Saigon River 
  9.  Nachmittage zu viert (die Jungs und ich) – ob Frisörbesuch, Kindergeburtstag, Tennis oder Snap-Café – wir sind immer zu viert unterwegs 
  10. Ferien in Laos, Bali oder zum Shoppen nach Phnom Penh zu fahren

Zehn Dinge, die ich garantiert nicht vermissen werde

  1. Wenn der Taxifahrer, der uns fast täglich nach Hause fährt, vor Villa Nr. 7 hält – obwohl ich gerade noch einmal gesagt hatte, dass wir in Villa Nr. SIX wohnen 
  2. Wenn der Geldautomat am Montagmorgen gar kein Bargeld ausspuckt und am folgenden Tag auch nur 3 Millionen Dong (110 Euro) auswirft 
  3. Kindergeburtstage bei 40 Grad im Schatten mit 30 Kindern, 30 Erwachsenen und 20 philippinischen Entertainern 
  4. Wenn ich im Restaurant sage, „you can take the plates away“ und meine Essensreste als „Take Away“ verpackt wieder auf dem Tisch landen 
  5. Wenn ich in den Supermarkt gehe, und nichts, absolut NICHTS, von dem, was auf meinem Einkaufszettel steht (Brokoli? Salat? Hühnchen?), vorzufinden ist 
  6. Wenn ich (allein) mit drei kleinen Kindern und entsprechendem Gepäck am Check-in stehe und von hinten von zehn Vietnamesen überrollt werde, die Angst haben, ihr Flugzeug zu verpassen, obwohl ihr Check-In drei Schalter weiter ist 
  7. Wenn ich den Fahrradfahrer bitte, mich an einer Citibank-ATM rauszulassen und er mich stattdessen zur vietnamesischen Zentralbank fährt 
  8. Sonntage in Saigon – absolut nichts los 
  9. Spielzeug, das blinkt, Krach macht, nach zehn Minuten kaputt ist – und ich anschließend aufgebrachte Kinder beruhigen muss Schrott im Allgemeinen – wo das Auge hinblickt 
  10. Wenn ich auf dem Markt ein rotes Stück Seide zeige, frage, ob sie so einen Stoff hätten, und ich einen blauen Kordstoff mit den Worten „same, same“ präsentiert bekomme

Mr. T – mein persönliches Charity Projekt

An verschiedenen Stellen habe ich bereits von meinem Schneider, Mr. T, und meinen Versuchen als Modedesignerin berichtet. Ich verbuche meine Erfahrungen der vergangenen Monate unter „mein persönliches Charity Projekt“. Mr. T´s Werkstatt misst gerade einmal 15 Quadratmeter, dort arbeitet er und seine drei Mitarbeiter, wovon einer humpelt. Bei dunklem Licht, mit nacktem Oberkörper arbeiten sie sieben Tage die Woche von 7 bis 19 Uhr. Ein Kleid nähen zu lassen kostet 180 000 Dong (ca. 7 Euro). (Eine Expat-Bekannte versicherte mir zwar, dass Mr. T „kein armer Mann“ sei, was wohl auch stimmen mag, allerdings fand ich es schon eine ziemlich kolonialistsiche Einstellung, dass umgerechnnet zwei Euro Stundenlohn gerechtfertigt seien). Gestern habe ich meine letzte Bestellung abgeholt. Im Gesamtwert von 120 Euro sind Christian und ich für die bevorstehenden Ferien eingekleidet (böse Zungen würden behaupten, ich sei bereits eingekleidet – ts, ts, ts…..). Neue Kleider abzuholen bei Mr. T ist so wie ein großes Überraschungsei zu öffnen – so ganz weiß man nie, was drin ist. So endet meine knielange Tunika knapp unter meiner Pobacke, meinem blau-weißen Ringelpulli hat Mr. T eine graue Kordel verpasst („same, same“), im Gegensatz zur Tunika ist der Pulli knielang. Auf dem Boden liegen die Reste meines bestickten Stoffes, von dem ich mir eine Bluse erhofft hatte – Mr. T habe sich leider verschnitte, gibt er betroffen zu. Christians Hemden haben einen siebziger Jahre Kragen, der Austin Powers jede Ehre machen würde. Aber davon ab, ist der Rest sehr schön geworden.

Familienfreundliches Bali

Ich liebe Luxushotels. Mein Schönstes ist es, unser Geld etwa ins Shangrila in Schanghai zu tragen, in ein weiches Bett mit weißer Bettwäsche zu fallen, für jedes Mal Händewaschen ein neues Handtuch zu benutzen und mich den ganzen Morgen genüsslich durch das Frühstücksbuffet zu essen. Leider sieht die Realität einer fünfköpfigen Familie etwas anders aus: Auf der Suche nach einem bezahlbaren Zimmer landen wir oft auf 35 Quadratmetern, mit einem Extra-Bett, das sich Caspar und August teilen, und einem Babybett, im schlechtesten Fall schläft Nikolaus bei uns. Im Handumdrehen haben die Kinder die verbleibenden drei freien Quadratmeter verwüstet. Und das Frühstück ist erst ein Genuss, wenn die Kinder abgefüttert sind, bis dahin renne ich zwischen Buffet und Tisch hin und her und versuche die hungrigen Mäuler zu stopfen, während Nikolaus unseren Tisch in ein Schlachtfeld verwandelt. Unser erster Stopp auf Bali ist dementsprechend kein Boutique Hotel, sondern ein „Family Friendly Resort“ – es soll unsere letzte Reise in solch ein Hotel sein. Das Westin hat sich auf Familien wie uns spezialisiert: Geschickt ziehen sie den stets klammen Familien das Geld aus der Tasche und vermitteln einem dabei das Gefühl, den besten Deal überhaupt gemacht zu haben. Kaum angekommen wird uns ein Upgrade für unser – zugegebenermaßen zu kleines – Zimmer vertickt. Die Kinder bekommen für ein paar Dollar am Tag den Kids Pass, mit dem sie so viel essen können wie sie wollen. Ich rechne nach: Für die Gesamtsumme hätten wir uns vermutlich die Besenkammer im Oberoi leisten können. Stattdessen liegen wir zwischen Russen und Australiern eingepfercht am Strand.

Ausgerechnet Bali?

Aus zwei Gründen wollte ich in den Sommerferien nach Bali: Zum Ersten sind während der Regenzeit in Südostasien angeblich nur Ko Samui und Bali klimatisch attraktiv. Zum Zweiten hatte ich mir nach einigen Monaten Vietnam etwas Kultur gewünscht und wollte nicht wieder nur dumpf am Strand liegen. Christian hatte noch eingeworfen, dass Bali nicht gerade zu den Geheimtipps in der Region gehört. Was den ersten Grund unserer Wahl anbetrifft, so ist das Klima hier in der Tat recht angenehm, nicht so schwül. Allerdings ist es mitunter schon fast etwas kühl (unter 30 Grad!), abends brauchen wir sogar lange Hosen !?! Was kulturellen Reichtum angeht, wurden wir auch nicht enttäuscht. Allerdings sind wir bislang in erster Linie mit australischer Kultur in Berührung gekommen: Die Insel ist das Mallorca der Australier und liegt fest in australischer Hand. Ob Designer Boutique, Coffee Shop, Elephanten Safari Park oder Boutique Hotel – mit allergrößter Wahrscheinlichkeit sind die Besitzer Australier. Das Ergebnis ist eine bizarre Koexistenz von Balinesen, die es tatsächlich auf dieser Insel noch gibt, und australischen Expats. Im Seminyak, einem Strandort im Süden, der mit Orten auf Ibiza vergleichbar ist, reiht sich eine schicke Boutique an die andere, die Restaurants haben Berlin-Mitte-Niveau. Die indonesische Infrastruktur ist dem Rummel jedoch keineswegs gewachsen: ab 16 Uhr stauen sich Autos und Mopeds auf der zweispurigen Straße, es gibt kein vor, kein zurück. Ich würde mal sagen, das Verkehrsaufkommen auf Bali ist mit dem in Jakarta durchaus vergleichbar. Vereinzelt verschwinden Touristen bis zum Bauch in den Löchern der Bürgersteige. Für die 45 km vom Strand nach Ubud haben wir über zwei Stunden gebraucht. Auf den letzten zehn Kilometern vor Ubud säumen Kunsthandwerksläden den Straßenrand. Während zu Beginn noch Buddhastatuen aus Stein und Holz angeboten werden, nähern sich die Produkte immer mehr dem westlichen Geschmack an, je näher wir an Ubud kommen. Schließlich gibt es Holzweihnachtsbäume und Engel zu kaufen. Lässt man den ganzen Trubel hinter sich, ist Bali allerdings ein besonderer Flecken auf dieser Erde, der viele kreative, mitunter verrückte Menschen anzieht. Und irgendwo zwischen dem ganzen Rummel finden wir einige ausgesprochen freundliche und herzliche Balinesen. Etwa auf meinem Morgenspaziergang in Ubud, wo ich um 7 Uhr die einzige Touristin unter lauter Balinesen bin, die Blumen für ihre Opfergaben kaufen. Oder die alte Balinesin die meinen Söhnen beibringt, wie sie Gamelan spielen und Opferkörbchen flechten. Der Gärtner (und gleichzeitig Fußballtrainer der Dorfjugend), der Caspar auf seinem Moped zum Fußballtraining mitnimmt. Die Jungs, die ein Cafe in einer Seitenstraße von Ubud eröffnet haben, wo ich zwar eine Viertelstunde auf meine Cafe Latte warten muss, dieser aber dann auch so liebevoll zubereitet ist, das dieser Latte zu den besten gehört, den ich je getrunken habe. Und irgendwie gehört auch die 50-Jährige, drahtige Yogalehrerin, die früh morgens ihren 30 Jahre jüngeren Liebhaber in den Armen hält und sich (beide Amerikaner) gegenseitige versichern, „dass sie sooo dankbar für diese wundervolle Erfahrung sind“, zu dem, was Bali ausmacht. Sollten wir einmal irgendwo in Südostasien leben, wäre Bali sicher unsere erste Wahl, um westlichen Lifestyle gepaart mit asiatischer Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit aufzutanken.

Tourismusministerin von Singapur

In meinem nächsten Leben möchte ich Tourismusministerin in Singapur werden. Bislang hatte ich Singapur nur als Verkehrsknotenpunkt in Südostasien wahrgenommen, mit einer ebenso hervorragenden Fluglinie wie Flughafen, der – so meine Meinung bis dato- ohnehin alles zu bieten hat, was der kleine Stadtstaat kann. Fünf Monate Vietnam und drei Kinder haben meine Meinung geändert: Singapur ist ein Traum, zumindest unter den Umständen.

Abschiedsstimmung

Der vorletzte Morgen im Mekong Merchant. Die Kinder sind aufgeregt, weil es nur noch wenige Stunden bis nach Berlin sind. Ein bisschen traurig sei er schon, sagt Caspar mit Blick auf den Spielplatz im Riverside. Und ich schwanke immer noch, ob es die richtige Entscheidung war, zurück zu gehen. Letztendlich war ich überfordert, diese Entscheidung zu treffen. Und Christian war nicht 100%ig überzeugt, dass er uns mitgezogen hätte. Vielleicht werde ich einmal in zehn Jahren sagen, es war eine verpasste Chance. Vielleicht kommt noch eine passendere Möglichkeit.

Ankunft in Berlin

20 Stunden später sind wir wieder in Berlin. Der Taxifahrer kann uns nicht mitnehmen, da er nicht genügend Kindersitze hat. Ich traue mich gar nicht zu sagen, dass ich in den vergangenen fünf Monaten meine Kinder täglich auf dem Rücksitz des Taxis jongliert habe….Die Chorinerstraße ist ergrünt, der Garten ist fertig, ein Traum. Annette und Oli begrüßen uns warmherzig, die anderen sind noch in den Ferien. Und es ist wahnsinnig ruhig in Berlin, keine Generatoren oder Klimaanlagen, die brummen (obwohl wir heute, bei 37 Grad, eine Klimaanlage gebrauchen könnten). Nikolaus erinnert sich an nichts mehr, „kann man hier auch spielen?“, fragt er in unserem Badezimmer. „Hier war ich nicht!“, stellt er fest. Bei meinem ersten Einkauf stelle ich verwundert fest, dass ich tatsächlich 200 Gramm Schinken bekomme, wenn ich danach frage – nicht 180 oder 220 Gramm, wie in An Phu. In unserer Wohnung gibt es viel zu tun, allen voran die Balkonbepflanzung wartet. Völlig übermüdet machen wir abends noch einen Kitzspaziergang, wenig Überraschendes. Nach fünf Monaten Asien ist das deutsche Tempo schon etwas ernüchternd. „In welchem Land gibt es eigentlich das größte Wirtschaftswachstum?“, fragt Christian. „Nigeria – Lagos“, vermute ich achselzuckend. „Dann lass uns dort hinziehen.“ Wer weiß….