Wohnungsnot

Verloren. Auf dem Weg vom Hotelzimmer in das Restaurant hatte ich mit mir selbst gewettet, dass es heute Pho Bo (Rindernudelsuppe) zum Frühstück gibt und „Baby love“ aus den Lautsprechern des Poolrestaurants tönt. Seit knapp drei Wochen esse ich morgens nämlich eine von zwei Suppen: Pho Bo oder Tom Yum. Und es gibt zwei CDs, die 24 Stunden am Tag aus den Lautsprechern trällern: „True colours“ oder „Baby love“, in jedem Fall aber Saxophon.

Hier haben wir (zu) viel Zeit verbracht…..

Seit knapp drei Wochen wohnen wir hier im District 1. Zumindest der Pool hat gehalten, was auf der Webseite versprochen wurde. Ansonsten sind die Apartments etwas in die Jahre gekommen, alles in allem etwas „filthy“, das Essen im Restaurant so schlecht, dass selbst Christian sich zuletzt weigerte, es zu essen. Immerhin sind die Angestellten wahnsinnig nett, Caspar spielt abends mit den Kellnern Fußball gespielt, Nikolaus mit den Kellnerinnen Fangen. Aber länger kann ich hier nicht mehr leben!

Wir gehen auf Wohnungssuche. Christian schwebt eine Villa mit Pool vor, ich will vor allem die Kinder nicht morgen eine halbe Stunde in die Schule kutschieren, auf die sie bald gehen werden. In Frage kommt eigentlich nur An Phu, District 2, im Nordosten der Stadt. Hier ist nicht nur unser Kindergarten, sondern auch diverse andere internationale Schulen sind hier. Der Ex-Pat-Anteil liegt bei gefühlten 90 Prozent, die Villen im Kolonialstil werden für 6000$ monatlich vermietet und richten sich sicherlich nicht an den vietnamesischen Markt. Es gibt Café Latte, Croissants und Käse in bester Qualität, wenn auch zu ernstzunehmenden Preisen. Christian und ich sind skeptisch. Allerdings ist District 1, wo man keinen Kinderwagen über die Straße schieben kann, ohne überfahren zu werden, mit kleinen Kindern auch nicht wirklich eine Alternative. Von den Rooftop Bars haben wir derzeit nicht viel. Spielplätze und Häagen Daaz Eiscreme sind angesagter, beides gibt es in An Phu reichlich. Also suchen wir dort und reihen uns in die Ex-Pat-Gemeinde ein.

Idyllisches An Phu

Ich lerne Dan kennen. Dan, Engländer, ist vor 19 Jahren nach Saigon gekommen und hat sich seit dem ein kleines Imperium in An Phu aufgebaut. Ob die Villa, das Kindermädchen, das Steak aus Australien, das Bio-Gemüse, die Geschenke für den Kindergeburtstag oder den Chardonnay in seinem Restaurant – Dan erfüllt jeden Wunsch. Er weiß, was der Ex-Pat im Leben braucht. Kurzfristig ist es schier unmöglich eine Villa zu finden, aber Dan findet doch eine für uns. In der Hütte lebte einst der Chef von LÓreal Vietnam, bevor – vor etwa vier Jahren- eine Horde Katzen das Haus besetzte, in alle Ecken pieselte und an den Rattanmöbeln die Krallen wetzte. Aber es gibt einen Garten und einen Pool. Dan sieht kein Problem darin, das Haus und den verwilderten Garten in fünf Tagen wieder in Schuss zu bekommen – wir schon und suchen weiter.

Lan An Village – die teuerste Gegend in HCMC, schlägt Christians Kollege Joseph vor. (Warum will uns eigentlich jeder nur das Teuerste verticken?) Wir gucken uns die Gegend an: Mitten in HCMC, am Fluss, direkt gegenüber des Business Districts. Auf dem Areal, das so groß ist wie der Volkspark Friedrichshains sind rund 20 Villen verteilt, dazu gehören Pool und Gym mit Wasserblick. Die ganze Anlage ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber die Lage ist beeindruckend – zentraler und gleichzeitig ruhiger geht es nicht. Eigentümer des Compounds ist der Ex-Präsident, und Josephs Schwiegermutter ist Ministerin, wofür haben wir nicht herausbekommen. „Hier leben die Milliardäre Vietnams“, erklärt Joseph. „Hier werden die Geschäfte gemacht.“ Um gute Geschichten zu erleben, wäre eine Villa hier sicherlich perfekt. Für unsere Kleinfamilie ist das Bonzenviertel eher unpassend.

Das „Bonzenviertel“ Lan An im Grünen….
….und mit Blick auf die Innenstadt

Auf dem Weg zurück in Christians Büro will ich mehr über Joseph erfahren, der in Australien aufgewachsen ist, vor 8 Jahren aber wieder zurück nach Vietnam kam und eben mit der Tochter „der“ Ministerin verheiratet ist. Das ist nicht weiter schwer, Joseph hält mit Informationen nicht zurück. Was seine Frau macht, will ich wissen. „Sie ist die Tochter der Ministerin“ – ich liebe es, wenn ich auf die Frage, was jemand macht, die Antwort bekomme, wer sie oder er ist. „But what does she do?“, hake ich nach. „Basically she is into investments and real estate“, sagt Joseph. „Like my wife“, wirft Christian ein. Ich bin mir sicher, wir spielen nicht in derselben Liga. „And she owns a franchise company for Bubble Tea.“ Vielleicht sollte ich auch ins Bubble Tea Geschäft einsteigen, überlege ich…..

Wir ziehen zu Josephs Bedauern nicht nach Lan An, obwohl ich dort sicher skurilere Menschen getroffen hätte als in An Phu. Joseph nimmt es gelassen. Aber wir sollen unbedingt einmal nach Nha Trang kommen, wir können dort auch umsonst im Hyatt wohnen – das gehört nämlich seiner Frau (ich frage mich, warum dieser Typ überhaupt bei Lazada arbeitet?!?!)

Schließlich finde Dan doch noch die Lösung für uns. Das Riverside. 12 Apartmenthäuser am Stadtrand, der Pool direkt am Fluss gelegen, von unserem Apartment blicken wir über den Saigon River in die Palmen. Drei Tage später ziehen wir ein. Nachts hören wir die Schlepper mit ihren Containern über den Fluss tuckern, Christian fährt morgens mit dem Speedboat zum Job, ich gehe in der Mittagshitze ins Fittnesstudio. Abends holen wir Christian mit dem Boot ab oder fahren einfach so zum Eisessen in die Stadt. Nikolaus hat nun neben Taxifahren noch ein zweites Hobby: „Speedboat fahren!“ Und August fragt, warum der „Service“ die Wohnung noch nicht aufgeräumt hat….Na, wenn das mal keine Umstellung wird, wenn wir wieder nach Berlin kommen.

Das Riverside – endlich ein Zuhause